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Kürzlich im Berliner Rudolf-Virchow-Universitätsklinikum, das zur weltbekannten Charité gehört: Zwei junge Südländer sitzen im Vorraum der Ersten Hilfe. Einer der beiden ist an der Hand leicht verletzt. Als den beiden die Datenerfassung nicht schnell genug geht, rastet der eine aus.
"Ey Mann, wann geht endlich weiter?", fragt er in gebrochenem Deutsch, aber in sehr rabiatem Ton. Gelassen reagiert der Krankenhausbedienstete: "Nehmen Sie Platz, es dauert nur noch einen Moment." Ein paar Minuten später wird der Patient behandelt, während sein Begleiter vor dem Behandlungsraum wartet. Dort brabbelt er einige Beschimpfungen auf das Krankenhauspersonal so laut vor sich hin, daß jeder es hören kann.
Eine darauf angesprochene Schwester zuckt nur mit den Achseln. "Ach, das ist normal hier", sagt sie. Wie sich auf Nachfrage erweist, sind allgemeine Beleidigungen und aufdringliches Verhalten in der Tat noch die harmlosesten Zumutungen, mit denen sich Berliner Klinikpersonal herumzuschlagen hat. Dort ist nämlich zuweilen nackte Gewalt an der Tagesordnung, die alles in den Schatten stellt, was in ansonsten süßlichen Arzt-Serien im Fernsehen gelegentlich gezeigt wird.
Bislang interessierten sich für die Übergriffe allerdings nur wenige. Vor zwei Wochen rüttelte ein Vorfall, den die 33jährige Krankenschwester Jana Budde einem Boulevardblatt schilderte, die Berliner auf: Ein Jugendlicher, ebenfalls mit Handverletzung, kam ins Unfallkrankenhaus Mahrzahn. Zum Röntgen wurde eine Einverständniserklärung der Eltern benötigt. Das aber wollte der Patient nicht und verlor sofort die Fassung. "Er beschimpfte den Oberarzt als Nigger und schubste eine Schwester. Als ein Arzt dazwischenging, schlug der Jugendliche auf ihn ein", berichtete Jana Budde in der "BZ".
Zwei Pfleger und ein Arzt wurden benötigt, um den renitenten jungen Mann zur Ruhe zu bringen. Sie mußten den Randalierer schließlich fesseln. Als sie ihn der Polizei übergeben hatten, trat er auch noch auf den Beamten ein.
Oft sind es Tätlichkeiten unter Patienten, in die das Personal erst hineingezogen wird. Wenn nach einer Kneipenschlägerei die Kontrahenten in das selbe Hospital eingeliefert werden, dann setzen sie ihren Kampf schon mal im Wartesaal fort.
Andere Patienten fühlen sich ungerecht behandelt. Wer nicht in akuter Gefahr ist, muß mitten in der Nacht oft eine Stunde warten, bis er dran ist. Etwa, wenn echte Notfälle reinkommen. Manche Patienten haben dafür wenig Verständnis und gehen auf die Schwestern los. "Ich werde dir auflauern", habe ihr sogar mal einer gedroht, berichtet Budde.
Viele Patienten glauben offenbar, mit den zehn Euro Praxisgebühr, die bei einer Erste-Hilfe-Behandlung (für viele überraschend) sofort fällig werden, besondere Ansprüche erworben zu haben. Sie meinen, daß die Leistung damit vollständig honoriert sei und nehmen das zum Anlaß, dreist aufzutrumpfen, so die Einschätzung von Klinikmitarbeitern.
Nachdem die "BZ" erstmals über solche Vorfälle berichtet hatte, nahmen sich auch andere Berliner Medien des heiklen Themas an. Danach scheint es, als habe praktisch jeder Krankenhausangestellte in der Hauptstadt solche Gewaltausbrüche auf seiner Station schon einmal erlebt - sie jedoch für eine kuriose Ausnahmesituation gehalten.
Allein in den vergangenen Wochen sind mehrere Fälle bekannt geworden: Im Krankenhaus Neukölln griff ein Patient das Personal an. Im Urban-Krankenhaus (auch in Neukölln) ist eine Schwester getreten und bespuckt worden. Im Elisabeth-Krankenhaus (Tiergarten) erlitten zwei Rettungssanitäter Verletzungen, als sie zwei Streithähne zu trennen versuchten.
Im bereits eingangs erwähnten Virchow-Klinikum erschien laut "Berliner Morgenpost" gar eine Jugendgang, um einen verletzten Gleichaltrigen, der Opfer eines Überfalls geworden war, zu warnen: Wehe, du packst aus! Das einschreitende Pflegepersonal wurde attackiert.
Genaue Zahlen über das Ausmaß der Gewaltwelle liegen nicht vor. "Wir führen da keine Statistik", erklärt Astrid Zawodniak von der Pressestelle von Berlins größtem und landeseigenem Krankenhausbetreiber "Vivantes". Trotzdem scheint festzustehen: Der Ton wird rauher auf Berliner Klinikfluren.
Zusätzlich platzte jetzt noch die Geschichte der Irene B. von der Charité wie eine Bombe. Die 54jährige soll den Todesengel gespielt haben, indem sie zwei dem Tod geweihte Männer mit einer Gift-Spritze ins Jenseits beförderte. Die Patienten litten unter Herzinsuffizienz und hatten angeblich eine Lebenserwartung von nur noch zwei Wochen. Jetzt werden 15 Todesfälle untersucht, Patienten, die Irene B. behandelt hatte.
Ständige Überforderung und zermürbende Arbeit - immer den Tod vor Augen - zerren ohnehin an den Nerven und an der Seele des Pflegepersonals. Randalierende Patienten können das Faß zum Überlaufen bringen. |
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