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Pfarrer Christoph Morgner, Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, hat nach einer zweiwöchigen Reise in das Königsberger Gebiet, während der er auf Einladung des dortigen Propstes Erhard Wolfram Gottesdienste und Vorträge gehalten hat, eine differenzierte aber im großen und ganzen positive Bilanz gezogen.
So meinte er ein erfreuliches Aufblühen der lutherischen Kirche im nördlichen Ostdeutschland feststellen zu können. Die christlichen Gemeinden seien "für viele Menschen wie Inseln des Lebens in einer Umwelt, die angesichts großer wirtschaftlicher Probleme von Hoffnungslosigkeit geprägt ist". Seit 1991 seien in der Propstei 41 Gemeinden entstanden, die wöchentlich etwa 600 Personen mit der christlichen Botschaft erreichten. Dabei handele es sich meist um Rußlanddeutsche, die in den vergangenen Jahren aus Mittelasien zugewandert seien. Weitere Gemeindegründungen stünden wie in Tilsit so auch anderswo bevor. Hierfür gebe es bisher vier Pfarrstellen. Eine fünfte sei in der Planung.
Trotz dieser positiven Bestandsaufnahme sieht der Präses jedoch noch viel Handlungsbedarf auf kirchlichem Gebiete. So sei ein Ausbau der Infrastruktur vonnöten. Als besonders dringlich erachtet der Pietist es, eine Art Diakonisches Werk zu schaffen und die Kirchenmusik zu intensivieren. Hier liege eine missionarische Chance, die ohne kirchliche Hilfe und Spenden aus der Bundesrepublik Deutschland allerdings nicht genutzt werden könne.
Langfristig müßten sich, so Morgners Mahnung, die Gemeinden für die russische Bevölkerung öffnen, um nicht ein "Verein für deutsche Brauchtumspflege" zu werden. Diese Sicht stoße allerdings noch auf den Widerstand vieler deutschstämmiger Gemeindemitglieder, "die in ihrer Sprache - und sei sie noch so kümmerlich - ein wesentliches Element ihrer Identität sehen". Trotzdem schlug der Geistliche vor, einmal im Monat einen zusätzlichen Gottesdienst auf russisch zu halten.
Die wirtschaftliche Lage wird vom Geistlichen im Gegensatz zur kirchlichen als desolat eingeschätzt. So lägen ungefähr 80 Prozent der Ackerflächen brach, weil es an Anreizen fehle, sie zu bewirtschaften. Die einstige Kornkammer Ostdeutschland müsse heute das Gros an Lebensmitteln einführen. Auch die zahlenmäßige Entwicklung der Bevölkerung sei eher düster. So liege die Sterblichkeitsrate nicht zuletzt wegen extensiven Alkoholmißbrauchs doppelt so hoch wie die Geburtenrat |
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