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Die Bundesjustizministerin, voreilig wie so oft, machte es sich leicht mit ihrem Urteil: Der Vorschlag aus Unionskreisen, mit mehr oder weniger flächendeckenden Gentests die Verhinderung oder zumindest Aufklärung schwerer Sexualstraftaten zu erleichtern, sei "populistisch".
Wieso eigentlich populistisch? Hat das Volk etwa nicht das Recht, von seinen Volksvertretern zu erwarten, daß sie sich bei gravierenden Vorgängen an der öffentlichen Diskussion und Meinungsbildung beteiligen? Wozu sollen Politiker sich eigentlich äußern, wenn nicht zu Themen, die wie jetzt der grausame Mord an der 12jährigen Ulrike aus Brandenburg die Volksseele erregen? Norbert Geis, Friedrich Merz und Günter Beckstein haben mit ihren sicherlich spontanen und nicht bis ins letzte Detail ausgefeilten Äußerungen genau das getan, wozu sie als demokratisch legitimierte Politiker verpflichtet sind; wer dies "populistisch" nennt, deutet entweder diesen Negativ-Begriff in positivem Sinne um oder ist selber populistisch.
Zur Sache: Mit dem sogenannten genetischen "Fingerabdruck" hat der wissenschaftlich-technische Fortschritt den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden ein Werkzeug an die Hand gegeben, mit dessen Hilfe gerade der Kampf gegen Sexualtäter erheblich verbessert werden kann. Dieses Mittel nicht oder nur unzureichend zu benutzen wäre geradezu sträflich.
Es kann jetzt nur darum gehen, diese neuen Möglichkeiten in einen angemessenen verfassungskonformen, aber auch praktikablen Rechtsrahmen zu fassen. Dabei haben die berechtigten Interessen der Polizei, der Staatsanwälte und der Richter, vor allem aber die der Opfer im Vordergrund zu stehen; formalrechtliche Bedenken, Datenschutz und ähnliches dürfen nicht, wie wir das ja leider schon erleben mußten, zum Täterschutz degenerieren.
Das Argument, mit einer Erfassung der genetischen Daten eines großen Teils der männlichen Bevölkerung wachse auch die Gefahr, daß Unschuldige zu "Sexbestien" abgestempelt würden, ist nicht stichhaltig. Im Gegenteil: Wenn ein Unschuldiger in Verdacht gerät, hat er mit dieser neuen Methode viel eher als früher die Möglichkeit, zweifelsfrei seine Unschuld zu beweisen. Außerdem ist er ja nicht deshalb in Verdacht geraten, weil irgendwann einmal von ihm ein genetischer Fingerabdruck registriert worden ist.
Natürlich muß sichergestellt sein, daß der Gentest wirklich nur zu Zwecken der Verhinderung oder Aufklärung schwerer Straftaten verwendet werden kann; allen Begehrlichkeiten anderer staatlicher oder gar privater Stellen, ob Finanzämter, Krankenkassen oder Versicherungen, muß von vornherein ein nicht zu knackender Riegel vorgeschoben werden.
Genau dies ist die Aufgabe unserer Politiker. Geis, Merz und Beckstein haben mit ihren Äußerungen gezeigt, daß sie sich dieser Aufgabe stellen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Höchste Zeit, daß auch Frau Däubler-Gmelin aufhört, "populistisch" herumzupolemisieren, und das tut, was ihres Amtes ist nämlich eine den Opfern dienende rechtliche Regelung vorbereiten. Nina Schulte
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