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In Anwesenheit von Angela Merkel und der spanischen und portugiesischen Regierungschefs haben die Anhänger Jaques Chiracs Mitte November eine neue Partei gegründet. Sie nennt sich die "Union pour un mouvement populaire" (Vereinigung für eine Volksbewegung), die 162.000 Anhänger beansprucht. Neuer Präsident dieser Partei ist der ehemalige Premierminister Chirac, Alain Juppé, der mit fast achtzig Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt wurde. Juppé war offenkundig der Kandidat des Elysée-Palastes und verbirgt nicht, daß er gern 2007 Nachfolger des gegenwärtigen Staatsoberhaupts Chirac werden möchte. Seine Rivalen zum obersten Präsidialstuhl sind derzeit der jetzige Innenminister Nicolas Sarkozy und der Premier, Jean-Pierre Raffarin. Obgleich Jacques Chirac in dieser Neugründung - die UMP war bisher die "Union pour la majorité présidentielle" (Vereinigung für die Mehrheit des Präsidenten) - die Verwirklichung eines "Traums" sieht, ist diese Partei eher eine Wahlkampfmaschine als ein mit einem festen Programm ausgestatteter Verein. Seit der Gründung der Fünften Republik im Jahre 1958 haben die Gaullisten oft den Namen ihrer Hoffnungen tragenden Partei geändert, als wäre die gaullistische Gesinnung mehr opportunistisch als ihre Tenoren es zu gestehen wagen. Die neue Partei, die UMP, bleibt immerhin etwas Neues im politischen Leben Frankreichs, da zum erstenmal hausgebackene Gaullisten mit Zentristen darin zusammenleben wollen. Für die meisten Kommentatoren an der Seine ist nun die Linke am Zuge. Sie müsse ihre Zersplitterung überwinden und damit der französischen Wählerschaft eine vereinte Plattform vorstellen, wenn sie nicht für längere Zeit von den gaullistischen Politstrategen ins Abseits gestellt werden wollen. Da die Chiracianer über die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung und im Senat verfügen, dürfte die Regierung Raffarin nicht zu große Sorge haben, die von der linken Opposition gewünschten Reformen des Staates und der Wirtschaft zu blockieren. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes IPSOS, die im Auftrag des regierungsfreundlichen "Figaro" und des staatlichen Fernsehsenders "France 2" durchgeführt wurde, bleibt die linke Wählerschaft stark von mobilisierenden Themen abhängig. Was die Themen Rentenreform oder Zuwanderung anbetrifft, gibt es in Frankreich noch eine linke Sensibilität. Eine Öffnung der Sozialisten in Richtung der "Union pour la Démocratie Française" ist so eher unwahrscheinlich. Insofern wäre es der Linken geboten, einen charismatischen Chef zu finden, der sie besser als der eher farblose Generalsekretär der Sozialisten, François Hollande, für Wahlen zu einigen imstande ist. Von Zeit zu Zeit spricht man in Paris von einer Rück-kehr Lionel Jospins in die Politik. Auf der Seite der Sozialisten scheint es klar zu sein, daß derzeit nur Jospin die stark zersplitterte Sozialistische Partei in einer linken Richtung vereinigen und so die Auseinandersetzungen während der letzten Wahlkampagne vergessen machen könnte. Um Siegeschancen zu haben, müßten die verschiedenen linken Parteien und Gruppierungen sich wahltaktisch vereinen, etwa wie zur Zeit Mitterands (für die Sozialisten) und Marchais (für die Kommunisten). Der etwaige Anlaß für ein solches Abkommen unter den linken Parteien könnte die Veranstaltung des neomarxistischen "Forum social européen" in einer Pariser Vorstadt 2003 sein. In Frankreich haben nämlich die Linken die Hand auf den meisten Medien, und man kann sich auf die Redaktion von "Le Monde" verlassen, um Chirac stetig anzugreifen und der Linken vor einer Wahl Aufwind zu bringen. Nach Florenz 2002 könnte Saint-Denis 2003 und der Forum Social Européen der Treffpunkt der europäischen Linken sein, besonders im Falle eines Krieges mit dem Irak. Die Lage in Frankreich ist derzeit politisch nicht gesichert und eher instabil.
Frankreich: Alain Juppé, Bernadette Chirac und Jean-Pierre Raffarin auf dem Gründungstag der Volksbewegung Mitte November. |
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