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Moment mal

 
     
 
Es ist kein Alptraum. Sie sind noch da. Nach sieben Jahren Dilettantismus im Amt. Trittin beispielsweise ist offenkundig nervös, läßt alle Vorsicht und die mühsam antrainierte Geschmeidigkeit fallen. Er verhöhnt die Autofahrer, die Pendler, die Alten, die Berufstätigen und die Arbeitslosen. Der Benzinpreis ist zu hoch? Trittins Rat: Ab und zu das Auto stehenlassen.

Die 10.000 Toten von New Orleans, das maßlose Elend einer ganzen Millionenstadt verhöhnt er auch. Selber schuld! Unterlassener Klimaschutz. Die USA seien das Hauptquartier der Klimaverschmutzer, so der Bundesminister. Präsident Bush verschließe seine Augen vor den Schäden, die seinem Land und der Weltwirtschaft
durch mangelnden Klimaschutz zugefügt würden. Es ist der gleiche Geist, aus dem der Mescalero-Aufruf kam. Schadenfreude, Mangel an Mitgefühl. Kälte.

Dabei waren an diesem 31. August 2005 die Toten noch nicht einmal gezählt. So reagierte ein US-Bürger in Spiegel online: "Es wäre höflich, wenn Herr Trittin uns erst einmal Zeit gäbe, die Leichen unserer Toten zu finden und zu begraben, bevor er unsere Trauer für seine Politik benutzt." Und nicht nur Graf Lambsdorff fand Trittins Worte "selbstgerecht und gefühllos. Kanzler Schröder müßte den Mann sofort rausschmeißen, meinte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister. Doch Schröder dachte gar nicht daran, sich zu distanzieren. Aber er empfahl Trittin offenbar einen Teilrückzug, den dieser am vergangenen Samstag darauf in der linken taz verkündete: "Gerhard Schröder hat gesagt, daß die Bedingungen von entscheidender Bedeutung sind, unter denen politische Fragen gestellt und debattiert werden. Dem stimme ich zu. Als ich den Kommentar schrieb, war die Nachrichtenlage so, daß das Schlimmste an New Orleans vorbeigegangen ist. Als klar wurde, daß es sich um eine der schlimmsten Naturkatastrophen handelte, standen die Menschen im Vordergrund". Dann denn doch. Und die taz freute sich: Trittin tritt nicht zurück.

Wohin soll er auch zurücktreten, wenn das Ende seiner Freiflüge und Dienstfahrten naht und die deutsche Gesellschaft die Erinnerung an ihn wie einen bösen Spuk vergessen haben wird?

Im Gegensatz zu ihrem glücklosen Kollegen kann sich Renate Künast, wie er ins Ministeramt gelangt ohne jedes Fachwissen, schmeicheln, als Verbraucherministerin wenigstens bei einem Teil der Verbraucher und der Bauern gepunktet zu haben, durch ihren Kampf gegen Massentierhaltung, mißhandelte Masthähnchen und verseuchtes Viehfutter, die zu einem großen Teil während ihrer Amtszeit anfielen. Besonders gern betont sie, daß Bauern und Verbraucher es ablehnen, "genmanipulierte" Nahrungsmittel "auf dem Acker und auf dem Teller" zu haben. Sieht man näher hin, so handelt es sich bei den Bauern hauptsächlich um die sogenannten Biobauern und um eine steigende Anzahl von Verbrauchern aus meist gehobenen Einkommensschichten, also um eher konservative Kreise, die seit jeher "hochwertige", aber teure Nahrungsmittel konsumieren.

Anfang der 90er Jahre brachten die Grünen das Gerücht auf, daß neben dem Einsatz von Kunstdünger und Schädlings-Bekämpfungsmitteln, aus den USA kommend, genmanipulierte Pflanzen und Tiere auf den Markt gebracht würden, zunächst als Futtermittel. Die manipulierten Gene, wer dachte da nicht gleich an Frankenstein, würden einen noch höheren Grad der Verseuchung erzeugen als Rinderwahn, Salmonellen, Hühnerpest, Maul- und Klauenseuche und alle anderen Erkrankungen zusammen. Die Folgen der Gen-Manipulation seien unabsehbar wie ein Versuch mit ABC-Waffen. Horror-

szenarien, ausgedacht an den Universitäten der amerikanischen Ostküste, eroberten bald den linken deutschen Supermarkt der politischen Korrektheit. Was anderswo als Gen-Technik, als Lösung für den Hunger weiter Teile der Weltbevölkerung, durch Nahrungsmangel verursachte Seuchen und Sterblichkeit erfunden und in fast allen Teilen der Welt von den USA bis China angewandt und durch die Forschung mit großen Mitteln zu weiterem Wachstum befördert wird, hieß bei uns von Anbeginn Gen-Manipulation. Die im Grunde irrationale Weigerung, die Probleme der Welternährung und -gesundheit wissenschaftlich zu lösen, führte in der Welt der Grünen zu grotesken Zwangsvorstellungen, wie immer in Verbindung mit einem ebenso irrationalen Anti-Amerikanismus. Sauber sein wie die Natur, war die Devise, wie die Umwelt, die einst sauber war, nicht mehr ist, wieder sein soll. Was die Natur geschaffen hat, soll der Mensch nicht umklonen. Dein Freund, der Baum. Schonender Abbau der Ressourcen durch die Indianer, Eskimos, Pygmäen, Aborigines. Nachhaltigkeit.

Hört sich gut an, stimmt bloß nicht. Die Natur hat schon immer geklont und Gen-Technik angewandt und seit Anbeginn durch Mutationen und deren Vererbung Millionen von Genen "manipuliert", ohne die es die so hartnäckig verteidigte Artenvielfalt gar nicht gäbe. Seit dem Beginn der Ackerbau- und Viehwirtschaft hat der Mensch durch Züchtung neuer Arten, beispielsweise von Kühen, die immer mehr Milch gaben, und von Getreide, das immer mehr Körner trug, neue Arten und Rassen mit veränderten Genen herangezüchtet. Das dauerte manchmal Jahre, manchmal Jahrtausende. Gelegentlich dauert es gar nicht so lange. Den Blumenkohl beispielsweise gibt es erst seit rund 1.000 Jahren.

Renate Künast sagt der Hausfrau, wo es lang geht beim Kochen. Im Grunde ist die Wirtschaft die Feindseite, die dauernd Schadstoffe in die Suppe tut. Die Verbraucherschutz-Ministerin sagt uns, was wir vermeiden sollen. Eigentlich so ziemlich alles. Bis in das Fleisch und die Knochen hinein. Die Rinder, die Schweine, die Hühner und sogar die Fische im Wasser können Gen-Mais gefressen haben oder andere gen-manipulierte Pflanzen, bald vielleicht auch Tiere. Deshalb unterstützt die Ministerin auch die gewalttätigen Ausschreitungen gegen Bauern, die Gen-Mais anpflanzen oder die Grünen-Partei plakatiert im Wahlkampf eine Faust, die offenbar schon matschige Gen-Tomaten zerquetscht. Mach mit! heißt die ziemlich unverblümte Aufforderung. Gegen die USA. Gegen den Globalismus. Neid-Gesellschaft gegen Gen-Gesellschaft. Die Amerikaner und die deutschen Pharmafirmen wollten mit der Gen-Industrie nur Geschäfte machen, heißt es. Klar wollen sie das, sonst wären sie keine guten Geschäftsleute. Aber unbestritten ist auch der Nutzen der neuen Produkte für die Armen und Hungrigen in der Dritten Welt, heute schon fast die Hälfte der Erdbevölkerung, mit steigender Tendenz. Der Hunger hat noch zugenommen, die Anzahl der Aids-Kranken droht ganze Landstriche zu entvölkern. Mais aber ist, neben Reis, die Hauptnahrung der Weltbevölkerung. Die Ernten sind bedroht durch Dürre und Schädlinge aller Art. Genveränderter Mais ist nicht so anfällig gegen Pilze und Bakterien und braucht nicht so viel Wasser. Die Ernten sind besser, der Mais - und das damit ernährte Vieh, billiger. Die Aids-Seuche, von der in Afrika jedes zweite Kind befallen ist, kann durch gen-veränderte Medikamente - vielleicht - endgültig gestoppt werden. Sonst vermutlich nie.

Aber das alles spräche ja für Gen-Technik! Hunger, Elend und Krankheiten ein für allemal beseitigen. Träume, goldenes Wenn. Doch die grüne Basis und die grünen Fundis ticken anders, träumen von der Unberührbarkeit der Natur, der Wiederkehr des goldenen Zeitalters mit Windmühle, Sonnenenergie und Rapsöl, computergestützt. Ehrfurcht vor dem Leben, vor der Natur, vor der Heimat, vor dem Überlieferten, unbedingte Gewaltlosigkeit wollten die Ur-Grünen, die 1977 die Partei gegründet hatten. Doch die sind im Zuge der Machtergreifung der Gewaltbereiten um Fischer und Trittin längst aus der Partei gedrängt worden oder gestorben.

Nicht natur-religiöse Vorstellungen bestimmen ihr Handeln, sondern Vernunft. Sie können ganz gut rechnen, sonst wären sie nicht Minister oder Ministerin geworden. Und das möchten sie bleiben. Wollen wir das?

Alles ab 18. September nur noch Geschichte? Ein böser Alptraum, aus dem wir aufgewacht sind? Vorsicht. Die Schlacht ist noch nicht geschlagen. Nicht jeder hat so schön vorgesorgt wie der Außenminister Joseph Fischer. Die anderen grünen Dienstwagenfahrer und "Miles-and-more-Flieger" kämpfen mit dem Rücken zur Wand. Hinter ihnen ist nichts und vor ihnen liegt eine düstere Zukunft. Sie werden mit allen Mitteln kämpfen. Bitte noch nicht aufatmen. Durchwählen.
 
     
     
 
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