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Es ist eigentlich nichts Besonderes und Berichtenswertes daran, wenn eine 20.000-Einwohner-Stadt, die sich heute in polnischer Sprache Paslek nennt, eine Ehrenbürgerschaft vergibt. Doch können besondere Umstände ein solches Ereignis sehr wohl zu etwas ganz Besonderem machen, über das zu berichten durchaus lohnt.
Die „besonderen Umstände“: Die Stadt, deren heutiger Name in polnischer Sprache den weitaus meisten Deutschen vermutlich gar nichts sagt, heißt seit Jahrhunderten in deutscher Sprache Preußisch Holland . Hier lebten Deutsche, Holländer (deren Vorfahren die Stadt einst gegründet hatten), vereinzelt auch Polen - bis 1945 waren es fast ausschließlich Deutsche. Pr. Holland liegt im südlichen Ostdeutschland, das nach dem Zweiten Weltkrieg unter polnische Verwaltung gestellt, in der Folgezeit „ethnisch gesäubert“ und 1990 von der Regierung Kohl als Teil Polens anerkannt wurde.
Jahrzehntelang hat dieser polnische Staat so getan, als hätten Pr. Holland und Ostdeutschland nie etwas mit Deutschland und dem deutschen Volk zu tun gehabt. Die deutsche Geschichte wurde ebenso geleugnet wie die Tatsache, daß es im südlichen Ostdeutschland, also auch in Pr. Holland, trotz aller Widrigkeiten und Schikanen immer noch eine deutsche Minderheit gibt.
Erst nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks (woran das polnische Volk respektgebietenden Anteil hatte) konnten jene aus Ostdeutschland stammenden vertriebenen Deutschen, die es angeblich überhaupt nicht gab, wenigstens wieder ihre Heimat besuchen. Mehr nicht: Wer von „Recht auf die Heimat“ sprach, von Entschuldigung für Vertreibungsverbrechen oder gar von Entschädigung für rechtswidrige Enteignung, galt weiterhin als Revanchist, Kalter Krieger, Ewiggestriger. Übrigens nicht nur bei vielen Polen, sondern erst recht auch bei vielen Deutschen!
Vor Ort, da, wo sich die Menschen direkt begegneten, sah das bald etwas anders aus. Da durften die Polen staunend erleben, daß die Vertriebenen der 90er Jahre durchaus ernst nahmen, was die Vertriebenen des Jahres 1950 in ihre legendäre Charta geschrieben hatten.
Sie lernten Deutsche, Ostdeutschland, kennen, die eben nicht, wie ihnen die kommunistische Propaganda weismachte, säbelrasselnd und (rück-)eroberungslüstern ins Land einfielen.
Nein, diese Deutschen kamen, um zu helfen, vor allem natürlich den in der Heimat verbliebenen Landsleuten, aber auch anderen. Sie gingen tatkräftig daran, in ihrer Heimat zu retten, was an Baudenkmälern und Kulturschätzen überhaupt noch zu retten war. Und sie machten auf überzeugende Weise deutlich, daß sie zwar stets die erforderliche Standfestigkeit bei der Vertretung ihrer berechtigten Interessen zeigen, daß sie und ihre Dachorganisation aber mit Extremisten nichts gemein haben.
Der Stellvertretende Sprecher dieser Dachorganisation, der Freundeskreis Ostdeutschland, wurde jetzt vom Rat der Stadt Pr. Holland, die sich in polnischer Sprache Paslek nennt, zum Ehrenbürger ernannt. Und das ist eben ein Vorgang von nicht nur lokaler oder regionaler Bedeutung, das ist ein hochrangiger politischer Akt. Denn man hat davon auszugehen, daß diese Würdigung von Phillip Blandauer kein Alleingang des Stadtrats, sondern mit höheren politischen Instanzen in Warschau abgestimmt war. Erst einmal zuvor, allerdings unter ganz anderen Bedingungen, ist ein so hochrangiger Vertreter einer deutschen Vertriebenenorganisation von einer offiziellen Institution eines Vertreiberstaates in solcher Weise geehrt worden. Das bedeutet - über die verdiente Würdigung eines einzelnen, der sich in herausragender Weise in seiner Heimat engagiert, hinaus - ein deutliches Signal an die Vertriebenen und ihre legitimen Vertreter: Die Vertreibung soll nicht länger Tabu-Thema bleiben, Polen nähert sich behutsam den dunklen Kapiteln der eigenen Geschichte. Dies bestätigen auch die jüngsten Äußerungen des polnischen Staatspräsidenten, die sich wohltuend unterscheiden von den barschen Tönen, die nach wie vor aus Prag zu vernehmen sind. Und offensichtlich werden die Anliegen der Vertriebenen, wie sie von der Freundeskreis Ostdeutschland formuliert werden, in Warschau heute besser verstanden als in Berlin.
Natürlich bleibt im Verhältnis zwischen Vertreibern und Vertriebenen noch viel historischer Ballast abzutragen, im politischen wie im menschlichen Bereich. Aber auf diesem Wege ist die Ehrung für den zweithöchsten Repräsentanten der Freundeskreis Ostdeutschland ein positives Signal - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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