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Rassensystematik

 
     
 
Das Ziel dieses Spezialgebiets der Anthropologie ist die Gruppierung der vielen Einzelrassen des Homo sapiens nach wenigen einheitlichen und übergeordneten Gesichtspunkten. Dabei müssen, soweit faßbar, der historische Entwicklungsablauf und die gegenwärtige Verteilung, selbstverständlich unter Ausschluß der Großverschiebungen unter der Weltbevölkerung seit dem 16. Jh., miteinander in Einklang gebracht werden. Das setzt allerdings einen gleich artigen Stand in der Erfassung und Beschreibung aller Menschenrassen der Erde voraus, besonders auch über den Erbgang der jeweils wichtigsten rassenkennzeichnenden Merkmale. Hier beginnen bereits die entscheidenden Schwierigkeiten für eine einheitliche systematische Gruppierung, da diese biologisch sinnvoll nur auf genetischen Erwägungen aufbauen kann (Rassenbegriff, Rassengenese). Die anthropologischen Erhebungen sind aber nun nur in Teilen von genetisch entsprechend geschulten Fachkräften vorgenommen worden die Genetik selbst ist ja eine sehr junge Wissenschaft, ihre entscheidenden Erkenntnisse wurden erst in den letzten Jahrzehnten erarbeitet , die Feldforschung in entlegeneren Gebieten lag überwiegend in der Hand von Völkerkundlern, aber auch anthropologisch interessierter Spezialisten anderer Fachrichtung. So sehr die Anthropologie ihre Kenntnisse gerade der bereitwilligen und entsagungsvollen Arbeit dieser Forscher verdankt, ist sie doch zu der kritischen Feststellung gezwungen, daß die vorgenommenen Messungen und mitgebrachten Beobachtungen nicht immer gleichwertig bzw. voll vergleichbar sind. Sie können daher nur in Teilen den speziellen Anforderungen entsprechen, die ein Systematiker seinem Gruppierungsstreben unter genetischen Gesichtspunkten zugrunde legen muß. Dabei ist die Uberprüfung des Erbgangs bestimmter rassenkennzeichnender Merkmalezwar eine wissenschaftlich sehr gerechtfertigte, in praxi aber wegen der langen Generationsdauer beim Menschen wie der Unmöglichkeit ausreichender gezielter und bewußter Kreuzungsexperimente nach wie vor (leider) eine utopische Forderung.

Daraus ergibt sich, daß die Abgrenzung des jeweils rassenkennzeichnenden Merkmalskombinats in der Hauptsache nur auf metrisch-morphologischen Beobachtungen und Vergleichen aufbauen kann, wobei vorausgesetzt werde n darf, daß die Ausbildung der erfaßbaren Merkmale genetisch gesteuert wird. Die anthropologischen Erhebungen werden aber erst seit einiger Zeit unter einheitlichen Gesichtspunkten nach genormten Richtlinien, Meßstrecken und Farbtafeln vorgenommen. Besonders sind wir nach dem Aussterben wichtiger Altgruppen für diese allein auf ältere Berichte angewiesen, die ausgedeutet werden müssen. Da sich zudem die gerichtete Selektion klimatischer Effekte (Pigmentierung, Depigmentation) und die daraus resultierenden fließenden Übergänge in der großräumigen Verteilung bestimmter Farbmerkmale mit der davon unabhängigen Selektionswirkung geographisch gegebener Isolate Rassengenese) überschneiden, ist es selbstverständlich, daß die systematischen Gruppierungsversuche verschiedener Autoren nicht einheitlich ausgefallen sind. Wir stützen uns hier in erster Linie auf die Arbeiten v. E i c k s t e d t s, der durch seine langen und ausgedehnten Forschungsreisen über einen einmaligen Kenntnisstand aus persönlicher Beobachtung auch außerhalb Europas verfügt. Darüber hinaus hat er nach sorgfältigen Quellenstudien die verwirrende Vielfalt der Rassenbenennungen geordnet unter dem Bestreben, das Prioritätsrecht der jeweils ersten wissenschaftlich erfolgten Namensgebung sicherzustellen. Bei den danach vorliegenden Namen überwiegen geographische Bezeichnungen entsprechend dem Hauptvorkommen der Rassen, daneben sind aber auch Eigenbenennungen von Stämmen und Völkern mit in die Nomenklatur eingegangen.

Zur Kennzeichnung wurden hier nur die trivialen Namen, z. T. in ihrer deutschen Fassung, verwendet, die einschlägigen Arbeiten mit den lateinischen Bezeichnungen sind im Literaturverzeichnis angeführt. Nachfolgend werden nur die Rassen und ihre trivialen Namen zusammengestellt, auf die in diesem Band mit Einzelheiten eingegangen wurde (Rassengeschichte). Die auf der Tabelle S. 292 vorgenommene Gruppierung ist selbstverständlich mit vielen Vorbehalten und Fragezeichen belastet und kann nach unserem derzeitigen Kenntnisstand begrenzte Einsicht in den tatsächlichen Erbgang von Merkmalen wie Merkmalskomplexen mangels Kreuzungsmöglichkeiten immer nur eine vorläufige Wahrscheinlichkeitsaussage bieten. Die Auswahl der besprochenen bzw. auf der Tabelle aufgeführten Rassen bringt einen Teilausschnitt aus der Gesamtzahl unter dem Gesichtspunkt, den rassengeschichtlichen Entwicklungsablauf seit dem Neolithikum möglichst mit dem modernen Befund zu verbinden. Die Reihenfolge in der Tabelle faßt die Großrassen zusammen und führt ihre Einzelrassen nacheinander je Erdteil in geographischer Anordnung auf. Die Altschichtrassen stehen in jedem Falle am Ende. Die Wiederholung gleicher Rassennamen entspricht ihrem Auftreten in mehreren Erdteilen ohne Berücksichtigung der daraus entstandenen Lokalrassen. Kontaktrassen sind jeweils mit der Kennzeichnung K unter beiden daran beteiligten Großrassen aufgeführt. P oder (P) hinter einem Rassennamen bezeichnen deutlich abgrenzbare Zw e r g e n p o p u l a t i o n e n selbständiger, kennzeichnender Merkmalskombination.

Die Männerköpfe lebender Rassen (Rassengeschichte, 63 bis 69) bringen eine Auswahl der wichtigsten im Text besprochenen und auf der obigen Tabelle mit Trivialnamen angeführten Rassen. Aus Raumgründen sind sie auf je einen Vertreter be-sch ränkt, und der Körperbau konnte nicht berücksichtigt werden.

Unsere Großgruppierung arbeitet mit den drei Subspecies (Großrassen): Europide, Mongolide, Negride. Eine entsprechende Großgliederung ist auch durch v. E i c k s t e d t (Homines sapientes albi, Homines sapientes leiotrichi, Homines sapientes afri) entsprechend V a 1 l o i s in West-, Ost- und Südmenschheit vorgenommen worden. Allerdings weichen wir unter genetischen Gesichtspunkten in der Zuteilung von Einzelrassen bzw. Rassengruppen z. T. deutlich von diesen beiden Autoren ab. Wir haben die Dunkelfarbigen Süd- und Südostasiens wie Indonesiens bis Australiens (z. B. G o n d i d e, M a l i d e, A n d amaneside, Paid- und Neonelaneside, Australide) nicht zu den Negriden oder der Südmenschheit gestellt, sondern zur Altschicht der Europiden. Ebenso wurden die Pygmiien aus den Negriden herausgenommen und rangieren trotz ihrer Spezialisierung gleichfalls unter der europiden Altschicht des Homo sapiens. Auch die Kh o i s a n i de ii Siidafrikas sind biologisch sinnvoller unter diese Altschicht und nicht die Homines sapientes leiotrichi v. Eickstedts einzureihen (Afrika rassengeschichtlich).

Die Großrasse der Europiden zeigt entsprechend ihrer weiträumigen Verteilung über mehrere Kontinente eine besonders ausgeprägte Polytypie. Trotzdem lassen sich auch für sie eine Reihe durchschnittlich kennzeichnender Merkmale bzw. Merkmalskomplexe herausstellen, die allen gemeinsam sind oder doch weit überwiegen. In der Mehrzahl schlankwüchsig bei gleichmäßigen Proportionen von Rumpf und Gliedmaßen, mit durchweg reliefreichem und schärfer konturiertem Gesicht, weichem, schlichtem bis engwelligem Haur und Tendenz zu stärkerer Körperbehaarung. Der Spielraum in der Pigmentierung (Komplexion Haar, Auge, Haut) ist besonders groß, hat aber nur in dieser Großrasse verbreitete und hohe Grade zum Teil vollständiger Depigmentierung erreicht. Die Altschichtrassen, die wir trotz ihrer mehrfach recht ausgeprägten Sonderzüge ganz allgemein an die Europiden angeschlossen haben, fallen aus dem Merkmalskombinat der anderen zwei Großrassen noch deutlicher heraus. Da sich die Europiden aber mit ihren rezenten kennzeichnenden Merkmalskombinationen noch am merklichsten innerhalb des Typenspektrums des fossilen Homo sapiens gehalten haben, erscheint es biologisch folgerichtig, alle Altschichtrassen mit ihren hohen Anteilen aus dem Merkmalskombinat des fossilen Sapiens an die Großrasse der rezenten Europiden anzuschließen, ohne die teilweise sehr betonten Eigenspezialisierungen überzubewerten.

Die Großrasse der Mongoliden besitzt trotz ihrem hohen Anteil an der lebenden Weltbevölkerung die geschlossenste kennzeichnende Merkmalskombination. Diese umfaßt untersetzten Körperbau mit Langrumpfigkeit, allgemein geringere Körperhöhe, ausgeprägtere Brachykranie kurzvoccipitaler Richtung bei den progressiven Rassen. Geringes Gesichtsrelief mit auffälliger frontaler Flachheit durch vorgeschobene Wangen-beine, eine schmale Lidöffnung mit Sonderbildung der Deckfalte (Mongolenfalte), strafferes Kopfhaar, sehr schwache Körperbehaarung und mäßige Schwankungsbreite im Pigmentationsgrad der Haut trotz Verbreitung über alle Klimazonen der Erde.

Die Großrasse der Negriden läßt sich dagegen am wenigsten sicher abgrenzen, vermutlich, weil ihr Entwicklungsraum keine schärfere und langdauernde geographische Isolierung ermöglicht hat, sondern sich mehr als Gürtelzone um die Hylaea Afrikas herumzog. Von mittlerer bis übermittelgroßer Körperhöhe, überwiegend schmalschädlig mit Tendenz zu vorgewölbter Bombenstirn, breiterem, mäßig scharf reliefiertem Gesicht mit breiter Nase, dicken Lippen mit abgesetzter, deutlicher Schleimhautgrenze und weniger ausgeprägter Kinnregion bei Neigung zu Vorkiefrigkeit. Allgemein dunkle Pigmentierung, kürzeres, krauses bis eng gedrehtes Kopfhaar, sehr schwache Körperbehaarung. Ähnlichkeiten in der Ausbildung von Pigmentierung, Haarform und -stellung, Lippenbildung u. a. bei der dunkelfarbigen Altschicht des asiatischen Tropengürtels bis Neuguinea/Australien müssen rassengeschichtlich unter dem Gesichtspunkt einer überaus weiten Verbreitung solcher Bildungen ohne nachweisbaren direkten Zusammenhang mit der erneuten Häufung dieser Merkmale in Afrika betrachtet werden. Da eine konvergente, aber unabhängige Entwicklung dieser Merkmale über klimatisch gerichtete Selektion aus dem allgemeinen, ungerichteten Mutationsangebot ebenso wahrscheinlich ist, kann die hypothetisch mögliche Zurückführung auf nur ein einheitliches Genzentrum für diese Merkmale keinen entscheidenderen Aussagewert beanspruchen. Denn sie vermag die schon langdauernde geographische Isolierung nicht zu überbrücken, außerdem sollte unter genetischer Sicht das gesamte faßbare kennzeichnende Merkmalskombinat den Vorrang besitzen. Es erscheint uns daher unter Berücksichtigung aller derzeit greifbaren Kriterien biologisch gerechtfertigter, die Großrasse der Negriden nur auf einen Ausschnitt des afrikanischen Kontinents zu beschränken.
 
     
     
 
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