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Rau-Nachfolge: Wer hat wen gerufen?

 
     
 
Kaum hatte Johannes Rau offiziell mitgeteilt, er werde im nächsten Frühsommer nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren, da begann sich das Kandidatenkarussell zu drehen. In der Bundesversammlung haben - unabhängig vom Ergebnis der bayerischen Landtagswahl - die bürgerlichen Parteien die Mehrheit; also hat man davon auszugehen, daß der nächste Bundespräsident aus ihren Reihen kommen wird.

Die Spitzen der rot-grün
en Koalition waren klug genug, sich gar nicht erst auf eine eigene Kandidatendiskussion einzulassen; es wird sich schon rechtzeitig jemand finden, den sie in das ohnehin aussichtslose Rennen schicken können. Umso intensiver können Sozialdemokraten und Grüne sich dem beliebten Polit-Spiel widmen: Unruhe in den Reihen des Gegners stiften, was zudem auch noch den erfreulichen Nebeneffekt hat, von eigenen Problemen wenigstens vorübergehend abzulenken.

Ein geschickter, freilich kaum überraschender Schachzug in diesem Spiel: öffentlich artikulierte Sympathie für eine Kandidatur der einstigen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth. Die Göttinger CDU-Politikerin, die Deutschlands Linke immer dann in Erscheinung treten lassen, wenn es gilt, konservative Wählerschichten zu verunsichern, hatte sich natürlich nicht selber für das höchste Amt im Staate vorgeschlagen; sie hatte nur laut darüber nachgedacht, daß sie, wenn man sie rufen würde, es selbstverständlich als ihre staatsbürgerliche Pflicht ansehen würde, sich der Verantwortung zu stellen. So vornehm bringt man sich selbst ins Spiel, und irgendwer wird wird dann ja wohl auch rufen...

Nach demselben Muster machte auch Wolfgang Schäuble auf sich aufmerksam - wenn schon nicht Kanzler, dann wenigstens Präsident!

Die an der Kandidatendiskussion Beteiligten, in erster Linie also die Parteien, müssen aufpassen, daß sie beim Volk nicht den fatalen Eindruck verstärken, dieses höchste Amt sei eine Art Verschiebebahnhof oder Entsorgungsstation für Politiker, die man entweder auf ihre alten Tage noch auf einem schönen Pöstchen unterbringen oder von einem anderen, vermeintlich wichtigeren Posten wegloben will. Derartiges soll ja schon vorgekommen sein in diesem unserem Lande.

Ein in den letzten Wochen ebenfalls genannter möglicher Kandidat ist über solchen Verdacht erhaben: Bernhard Vogel, der als Ministerpräsident zunächst in Rheinland-Pfalz, dann in Thüringen gezeigt hat, daß er über alle politischen und menschlichen Qualitäten verfügt, die für das Amt des Bundespräsidenten gefragt sind. Nicht zuletzt ist er auch eine Persönlichkeit, in der sich der konservative Teil des deutschen Volkes wiederzufinden vermag.

Noch eine Anmerkung zum derzeitigen Amtsinhaber: Fast hatte man das Gefühl, die Bekanntgabe der Nicht-Kandidatur habe auf ihn befreiend gewirkt. So war seine Berliner Rede zum Tag der Heimat (s.Verlegerin Folge 37, Seite 1) gewiß eine seiner stärksten, weit mehr jedenfalls als eine "Pflichtübung", wie sie vielleicht mancher erwartet (oder befürchtet) hatte. Und Johannes Raus couragiertes Auftreten beim Staatsbesuch in China verdient, über Parteigrenzen hinweg, höchsten Respekt - wann ist kommunistischen Machthabern in Sachen Menschenrechte und Demokratie je so deutlich die Meinung gesagt worden!
 
     
     
 
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