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Reformen - jeder gegen jeden

 
     
 
Es gibt auch glückliche Momente im Leben eines Kanzlers. Zum Beispiel, wenn ihm, mitten im Kriegs- und Krisen-Wehklagen, eine wunderschöne Geburtstagstorte mit 59 Kerzen präsentiert wird. So geschehen bei der Eröffnung der Hannovermesse: Geburtstagskind Gerhard Schröder genoß es sichtlich, beim Ausblasen der bunten Lichter "langen Atem" zeigen zu können.

Sonst aber hatte er an diesem Tag nicht viel zu lachen und zu feiern. Überall schlug dem Kanzler eher trübe Stimmung entgegen. Die expo
rtorientierte Industrie fürchtet weitere Einbußen durch den hohen Euro-Kurs und wohl auch durch amerikanische Handelsrestriktionen wegen der Differenzen um den Irakkrieg. Die binnenmarktorientierte Industrie wiederum sieht keinen auch noch so zarten Silberstreif am Wachstums-Horizont - fast fünf Millionen Arbeitslose, weiter steigende Abgaben für alle die (noch) Arbeit haben, wo soll da Kaufkraft herkommen, damit Unternehmer ihre Produkte auch verkaufen können?

Da kann sich ein Kanzler, ein sozialdemokratischer allemal, normalerweise freuen, wenn als nächstes ein Termin bei einer Gewerkschaft ansteht. Hier ist man unter Freunden, hier wird man getröstet. Denkste! Während Unternehmer und Arbeitgebervertreter Schröders Reformprojekt als halbherzig und nicht weit genug gehend kritisieren, zeigen ihm die Gewerkschaftsfunktionäre erst recht die "kalte Schulter" und drohen mit einem "heißen Mai": Die Reformen gingen viel zu weit, seien unsozial und ungerecht, eben das Gegenteil von sozialdemokratisch.

Besonders schlimm für den SPD-Chef: So denken auch weite Teile der Sozialdemokratie. Arbeitnehmervertreter Schreiner sieht "die gesamte Partei in einer erheblichen Unruhe", zwei Landesverbände fordern, gegen den ausdrücklichen Willen der Bundesführung, einen Sonderparteitag, vor Ort laufen die Mitglieder in Scharen weg.

Lediglich auf zwei Dinge kann Schröder sich noch verlassen: Erstens, daß die Grünen aus purem Machterhalt auch diesmal alle Kröten schlucken und nichts tun, was die rot-grüne Koalition ernsthaft gefährden könnte. Und zweitens, daß von Seiten der Opposition keine ernsthafte Gefahr droht, zumindest nicht, solange hier nicht einmal ansatzweise ein geschlossenes Konzept erkennbar wird.

Nehmen wir als Beispiel die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes. Merkel kontert Schröder, Stoiber kontert Merkel, Schröder gibt nach, man weiß aber nicht so recht, wem eigentlich, Merkel legt nach und kontert sich selbst. Die Betroffenen wissen ohnehin längst nicht mehr, was ihnen eigentlich droht - "Politik für den Bürger" nennt man das wohl in Politikerkreisen.

Aber vielleicht ist der Bürger gar nicht so dumm, wie mancher Politiker ihn gern sähe. Allein dadurch, daß der Staat den Menschen - Arbeitslosen wie Arbeitsplatzinhabern - immer mehr Geld aus der Tasche zieht, entsteht noch kein einziger neuer Arbeitsplatz. Diejenigen, die es trifft, kapieren das eher als all die klugen Politiker und Kommissionsmitglieder.
 
     
     
 
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