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Im Alter gibt es wenig Perspektiven. Da wandern die Gedanken oft zurück in die Vergangenheit. Man zieht Fazit aus seinem bisherigen Leben, räumt auf. Nicht nur in Gedanken, sondern auch bei persönlichen Dingen. Als ich kürzlich auf dem Dachboden Ordnung machte, fiel mir ein Karton mit alten Briefen in die Hände. Einige wurden gelesen, und dabei kam auch recht Lustiges in Erinnerung. Es waren Briefe von einem unbekannten Soldaten. In der Kriegszeit wurde von Organisationen angeregt, an Soldaten Briefe an die Front zu schreiben, um den Kontakt zur Heimat zu festigen.
Ich bekam dann eines Tages einen Brief von einem Unteroffizier der Panzerdivision „Großdeutschland“. Er war eine zeitlang bei meinen Großeltern einquartiert und hatte auch von dort meine Anschrift erhalten. Es entwickelte sich ein lustiger Federkrieg. Fotos wurden ausgetauscht, um wenigstens eine bildliche Vorstellung von dem unbekannten Briefpartner zu haben. Mein Foto wurde von mir mit den Worten kommentiert „Ich bin klein, dick, habe rote Haare, Sommersprossen und bin Brillenträgerin“. Umgehend kam ein Foto von dem Unteroffizier mit dem Bemerken: „Sie sind direkt mein Typ. Aber wenn Sie mich mit meiner spiegelblanken Glatze, abstehenden Ohren und O-Beinen sehen würden, bekämen Sie bestimmt das Laufen.“
Es ist leider nie zu einem persönlichen Treffen mit dem Soldaten gekommen, um das geschilderte Aussehen auch bestätigen zu können. Ein angekündigter Besuch auf der Bahnstation in der nächsten Kreisstadt fand nicht statt, auch war ich infolge eines Ernteeinsatzes in meiner Dienststelle nicht anzutreffen. Ein Urlaub meines Brieffreundes mußte dann kurzfristig wegen eines Einsatzes abgesagt werden.
Einen Brief von ihm erhielt ich dann durch meine Großmutter, die ihn auf dem Fluchtweg zufällig getroffen hat.
Dieser Brief hatte nicht den Vermerk „Feldpost“ sondern „Querverbindung“. Durch die Flucht und die weiteren
Kriegsereignisse ist die Verbindung dann leider abgerissen.
Ich besitze aber noch ein Foto des Soldaten, das ich ihm gern übergeben möchte. Wenn Gerd Waschnewski das Kriegsgeschehen überlebt haben sollte, erinnert er sich vielleicht heute noch an den Briefwechsel mit einem ihm unbekannten Mädel. Erna Richter |
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