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Erneut greift die EU-Kommission in die nationale Gesetzgebung ein - wie zuletzt beim Tabak-Werbeverbot. Dieses Mal riskiert Brüssel die Konfrontation mit Berlin im Streit um die Altersversorgung - es geht um die Riester-Rente. Im schlechtesten Fall drohen Riester-Versicherten erhebliche finanzielle Nachteile.
Laszlo Kovacs, in der Kommission für Steuerfragen zuständig, will die Bundesrepublik zwingen, die gesetzliche Grundlage für dieses lukrative Modell zur zusätzlichen Alterssicherung zu ändern. Er wird eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof anstrengen. Dort sind Urteile gegen deutsches Recht inzwischen fast zur Regel geworden.
Mit der Riester-Rente wurde in Deutschland eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung eingeführt, die die aufkommenden Versorgungslücken bei der umlagefinanzierten Normalrente ausgleichen soll. Der Staat fördert die Riester-Rente je nach Einkommenshöhe und Familienstand mit einigen Hundert Euro im Jahr, außerdem können bis zu 2100 Euro beim Steuerjahresausgleich geltend gemacht werden. Diese Höchstsätze gelten vom Jahr 2008 an und sind nun der Stein des Anstoßes.
Den Steuervorteil erhalten verständlicherweise nur diejenigen, die in Deutschland auch unbeschränkt Steuern zahlen. EU-Kommissar Kovacs nimmt nun einen Fall an, in dem ein sogenannter Grenzgänger zwar in Deutschland sein Geld verdient, es aber nach dem Doppelbesteuerungsabkommen in seinem Heimatland versteuert - weil er dort günstiger wegkommt.
Die EU verlangt nun, daß der deutsche Staat auch in diesem Fall die Steuervorteile über die Grenze nachreichen muß. Die EU-Kommission will, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Freizügigkeit buchstabengenau umgesetzt wird. Das aber würde bedeuten, daß letztlich die Riester-Rente für alle EU-Bürger geöffnet werden müßte und daß alle vom deutschen Fördersystem profitieren würden.
Die Bundesregierung hat sich bisher auf diesem Ohr taub gestellt und läßt es offenkundig auf das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ankommen. Das ist ein Fall mit doppeltem Risiko: Entweder geht die Klage aus wie von der EU-Kommission beabsichtigt, dann hat Berlin nur die Wahl, viel Geld zusätzlich auszugeben oder die Riester-Rente nicht mehr steuerlich zu fördern.
Sollte der Gerichtshof aber die deutsche Renten-Praxis billigen, das Gleichbehandlungsgebot jedoch gleichzeitig betonen, dann werden die deutschen Rentner in der Falle sitzen. Nämlich dann, wenn sie ihren Wohnsitz etwa nach Spanien oder ins übrige EU-Gebiet verlegen wollen. Sie müßten bei dieser Urteilslage nach Meinung der EU die bis dann erhaltenen Steuervergünstigungen zurückzahlen, weil sie nicht mehr als Steuerbürger in Deutschland leben. Wenig tröstlich ist, daß das gleiche Geschick ausländische Arbeitnehmer haben würden, wenn sie nach dem Ausscheiden aus dem Beruf in ihre Heimat zurückkehren sollten. |
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