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Ronald Schill, ein Nachfahre des berühmten Majors aus napoleonischen Tagen, zuerst in Hamburg und später bundesweit bekannt als "Richter Gnadenlos", kämpft gegen mächtige Gegner. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Christier warnte jüngst, der populäre Richter könne "der (bundes-)deutsche Haider" werden. Eine Umfrage im Auftrag einer Illustrierten hat erstaunliche Zustimmung in der Bevölkerung ergeben: 68 Prozent der Hamburger teilen seine These, die Hamburger Justiz gehe mit Straftätern zu sanft um. Stünde er zur Wahl für die Bürgerschaft, würden ihm acht Prozent der Hanseaten "sicher" und 38 Prozent "vielleicht" ihre Stimme geben. Die Boulevardpresse rief mit trüben Hintergedanken: "Richter Gnadenlos in die Politik!" Und die alten Feinde in der Justiz beobachteten seine wachsende Popularität mit Sorge.
Schill über die 68er-Justiz: "Als Richter habe ich häufig Schwierigkeiten, den Bürgern ins Auge zu sehen und die Urteile von Kollegen zu vertreten, die ,im Namen des Volkes ergehen." Mit 16 650 Straftaten pro 100 000 Einwohner liegt Hamburg an der Spitze der Verbrechensskala. Obwohl die Zahl der Straftaten mit fast 300 000 auf immer neue Höchststände klettert, hielt es der rot-grüne Senat nicht für nötig, mehr Polizisten zu beschäftigen. Im Gegenteil, es wurden 1998 noch 887 Stellen gekürzt.
In zahlreichen Interviews und Fernsehauftritten hat der streitbare Jurist Schill in Hamburg Fehlentwicklungen angeprangert: "Es gibt krasse Mißstände zu Lasten der rechtschaffenen Bevölkerung." Die Strafjustiz solle Bestandteil der Verbrechensbekämpfung sein. Aber auch schwere Verbrechen würden von der Justiz gar nicht oder zu milde geahndet, so daß dies einer Ermunterung zum Begehen weiterer Straftaten gleichkäme. "Die Folge ist, daß sich ausländische Banden schon Schießereien vor dem Hamburger Polizeipräsidium liefern." Als weiteres Beispiel nennt Schill die Jugendgerichtsbarkeit: "Sie ist mit Alt-68ern durchsetzt, für die Strafe etwas Menschenunwürdiges ist und die in Verbrechern ausschließlich Opfer der Gesellschaft sehen."
Das vorherrschende Dogma, daß Strafen keine abschreckende Wirkung hätten, hält er für einen Irrglauben. Dem "Stern" antwortete er auf die Frage "Wenn Sie schon so an Abschreckung glauben, sind Sie dann auch für die Todesstrafe?" ohne Rücksicht auf politisch korrekte Tabus: "Ich wäre nicht dagegen, wenn sich die dafür notwendige parlamentarische Mehrheit finden würde. In bestimmten Fällen, etwa bestialischer Tötungskriminalität, spricht einiges dafür."
Wegen eines Formfehlers wurde Schill schließlich aus dem Rennen geworfen und Kriminelle mit Namen von Ba bis Bu (Schills früherer Zuständigkeit) konnten durchatmen. Die autonome Szene und linke Politiker mögen seine Versetzung als großen Sieg feiern, doch die Bürger beschleicht das ungute Gefühl, hier wurde Zensur geübt. "Bitte machen Sie weiter so, Herr Schill, Sie sind prima!" Zu Hunderten treffen solche Schreiben bei einer eiligst gegründeten Initiative "Ich will Schill" ein (Postfach 112373, 20423 Hamburg). Kleinere CDU-Verbände laden den Richter zu Vorträgen, die Junge Union wollte ihn bei ihrem Landesparteitag als Hauptredner engagieren. Doch inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern, daß Schill mit einer eigenen Formation bei den Bürgerschaftswahlen 2001 antreten wird. Einen Schwerpunkt des Programms dürfte die innere Sicherheit bilden. Zur Bekämpfung der ausufernden Gewaltkriminalität fordert Schill seit Jahren eine Stärkung der Polizeieinsatzkräfte auf den Straßen und Videoüberwachung besonders gefährdeter Plätze. Die Jugendgerichtsbarkeit solle abgeschafft werden und auch Heranwachsende wieder vor konventionelle Strafrichter kommen. Außerdem müsse Schluß sein mit den Subventionen für extremistische Jugendclubs und obskure ausländische "Heimatvereine". Die Masseneinwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen, auch eine Ursache für die ansteigende Kriminalität, will er durch eine Abschaffung der individuellen Rechtsgarantie auf Asyl begrenzen.
Bei ihrem jüngsten Parteitag bekräftigte die SPD nochmals ihre permissive Haltung gegenüber der Jugendkriminalität. Wie Rot-Grün betrachtet auch die CDU Prävention als den einzigen Weg: Je mehr der Staat labilen Jugendlichen mit Steuermitteln schöne Clubs und Jugendzentren baue, desto weniger würden die "Kids" kriminell. Schill könnte hier einen Strich durch die Rechnung machen. Gar nicht hypothetisch, sondern ehrlich besorgt fragte jüngst die "Hamburger Morgenpost" in einer Schlagzeile: "Wird Schill Justizsenator?" Claudia Hansen
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