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Schmuddelige Phantasien

 
     
 
Die Klage der ersten sieben Norwegerinnen und Norweger vor dem Osloer Stadtgericht gegen den Staat Norwegen, weil er sie, deren Väter deutsche Soldaten waren, nicht geschützt hatte vor Diskriminierung, Mißhandlungen und anderen Grausamkeiten, ist zunächst gescheitert. Begründung: Die Kläger berufen sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die aber erst 1953 in Kraft trat, während die Mißhandlungen der Deutschen-Kinder in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg
geschahen. Außerdem seien die Untaten verjährt.

Insgesamt sind es 112 Nachkommen deutscher Soldaten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, die den Staat zur Verantwortung ziehen wollen. Die abgewiesenen ersten sieben wollen nun die nächste Instanz, das Oberlandesgericht (Borgarting Lagmannsrett), anrufen.

Da manche dieser Deutschen-Kinder während des Krieges in „Lebensborn-Heimen“ zur Welt kamen, wird der Prozeß in Norwegen auch „Lebensborn-Prozeß“ genannt. Von diesen Heimen gab es in Norwegen neun. Hier konnten, wie es der damalige Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr, München, Prof. Dr. Franz W. Seidler, in einer Studie für den Sammelband „Die Schatten der Vergangenheit“ (Ullstein-Taschen- buch 33161) 1992 schilderte, werdende Mütter Aufnahme finden, um in Ruhe unter medizinisch und sozial vorbildlichen Verhältnissen ihr Kind zur Welt zu bringen. Nach einer Erhebung aus den Jahren 1941/42 waren 60 Prozent der Mütter in den Heimen nicht verheiratet. Sie sollten in den Heimen vor Diskriminierung geschützt werden. Wenn sie ihr Kind zur Adoption freigeben wollten, suchte, falls gewünscht, der „Lebensborn“ Pflegeeltern oder übernahm selbst die Vormundschaft. 1944 gab es insgesamt in Deutschland, Norwegen und einigen anderen von der Wehrmacht besetzten Ländern 20 solcher Heime.

Der „Lebensborn“ wurde angesichts der Tatsache, daß Deutschland am Ende der Weimarer Republik die niedrigste Geburten- rate in Europa aufwies, 1935 von dem damaligen Reichsführer-SS Himmler ins Leben gerufen. Laut Satzung hatte der „Lebensborn“ die Aufgabe, „jede Mutter guten Blutes zu schützen, zu betreuen und für hilfsbedürftige Mütter und Kinder guten Blutes zu sorgen“. Unter „guten Blutes“ verstand man Eltern, die keine Erbkrankheiten hatten und die möglichst den damaligen Idealvorstellungen der nordischen Menschen weitgehend entsprachen. Daß man dabei nicht streng vorging, kann man aus der Tatsache schließen, daß nach einer damaligen Erhebung nur zwei Drittel der Mütter „den rassischen Ausleseprinzipien der SS“ entsprachen, der Rest also offensichtlich nicht. Die Sterblichkeit in den „Lebensborn-Heimen“ war im übrigen nur halb so groß wie sonst im Lande. Wenn gewünscht, konnten Entbindungen in „Lebensborn-Heimen“ auch geheim gehalten werden.

Nach den Untersuchungen von Prof. Seidler hatten insgesamt 9.000 Norwegerinnen ihre Kinder in „Lebensborn-Heimen“ zur Welt gebracht. Im „Lebensborn“ wurden auch Waisen von ermordeten Volksdeutschen aus Polen aufgenommen sowie Pflegekinder und Findelkinder aus dem europäischen Osten, sofern sie zwischen zwei und sechs Jahren alt und „guten Blutes“ zu sein schienen. Finanziert wurde der „Lebensborn e.V.“ durch Zwangsbeiträge von höheren SS-Führern, die acht Prozent ihres Soldes abführen mußten, was 1939/40 einen Betrag von 423.000 Reichsmark ausmachte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde vor dem amerikanischen Militärgericht in Nürnberg die Organisation „Lebensborn e.V.“ mit ihren führenden Mitarbeitern angeklagt unter anderem wegen der angeblichen „Entführung von Kindern fremder Völker und wegen der Wegnahme der Kinder zum Zwecke der Ausrottung oder Eindeutschung von Ostarbeiterinnen“. Die Organisation wie ihre Mitarbeiter wurden sämtlich freigesprochen.

In der Urteilsbegründung des amerikanischen Militärgerichts heißt es: „Aus dem Beweismaterial geht klar hervor, daß der Verein ,Lebensborn‘ … eine Wohlfahrtseinrichtung und in erster Linie ein Entbindungsheim war. Von Anfang an galt seine Fürsorge den Müttern, den verheirateten sowohl wie den unverheirateten, den ehelichen wie auch den unehelichen Kindern … Aus dem Beweismaterial geht weiter klar hervor, daß der ,Lebensborn‘ unter den zahlreichen Organisationen Deutschlands, die sich mit ausländischen, nach Deutschland verbrachten Kindern befaßten, die einzige Stelle war, die alles tat, was in ihrer Macht stand, um den Kindern eine angemessene Fürsorge zuteil werden zu lassen und die rechtlichen Interessen der unter seine Obhut gestellten Kinder zu wahren.“

Die deutliche Entscheidung eines Siegergerichtes hindert jetzige Journalisten nicht daran, immer wieder die schmuddeligsten Geschichten über den „Lebensborn“ zu verbreiten, die in der Regel von A bis Z erlogen sind und lediglich Schlüsse zulassen auf die abartigen Sexualphantasien der Autoren. Dr. Hübner

 
     
     
 
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