|
Die Vorverlegung der Nationalratswahlen auf den 1. Oktober bringt diesmal zwar einen kurzen, aber - wie sich jetzt schon abzeichnet - schmutzigen Wahlkampf. Dabei sorgt vor allem die Abspaltung des BZÖ von der FPÖ für Zündstoff, denn sie legt in nie zuvor registrierter Deutlichkeit eine grundsätzliche Schwachstelle der "repräsentativen Demokratie" bloß, nämlich die Mißbrauchsmöglichkeiten mit dem sogenannten "freien Mandat".
Kandidieren werden die derzeitigen Parlamentsparteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, die Grünen und das von Jörg Haider voriges Jahr von der FPÖ abgespaltene "orange" BZÖ, weiter die Liste des EU-Parlamentariers Hans Peter Martin sowie die KPÖ. Voraussetzung für eine Kandidatur sind Unterstützungserklärungen von drei Abgeordneten oder von mindestens 2600 Wahlberechtigten, wobei je Bundesland eine Quote erfüllt sein muß. Martin wird diese Hürde vermutlich nehmen, während bei der KPÖ noch nicht sicher ist, ob sie es in allen Bundesländern schafft. Aber sogar die FPÖ muß diesmal Unterschriften sammeln, denn die vor vier Jahren gewählten FPÖ-Nationalräte sind bis auf zwei zum BZÖ übergelaufen. Theoretisch hätte die FPÖ dies jedoch nicht nötig: In aller Regel wird ein Kandidat nicht als Person gewählt, sondern er verdankt sein Mandat der Partei, die ihn auf einen wählbaren Listenplatz reiht. Das Mandat ist also nicht "Eigentum" des Abgeordneten, sondern eigentlich eine "Leihgabe" der Partei.
Im Streitfall zwischen FPÖ und BZÖ geht es darüber hinaus um Partei-Identität und Rechtsnachfolge, und da kam es bisher zu höchst einseitigen Entscheidungen. So muß zwar die FPÖ für alle von der desertierten früheren Parteiführung gemachten Schulden haften. Wie kürzlich ein Gericht (in erster Instanz) entschied, muß sie sogar einem früheren Parlamentarier eine monatliche Rente von 10000 Euro zahlen, die diesem dafür zugesagt wurde, daß er nach Trunkenheit am Steuer "freiwillig" zurücktrat. Umgekehrt wurden der FPÖ zugunsten des BZÖ staatliche Förderungsgelder gestrichen - eine massive Behinderung des FPÖ-Wahlkampfs, denn die verfassungsrechtliche Anfechtung dieser Aktion des Kanzleramtes wird sicher nicht vor der Wahl entschieden.
Noch ärgere Benachteiligung droht bei der Wahl selbst: Laut Gesetz hat die Reihenfolge auf dem Stimmzettel dem Resultat der vorherigen Wahl zu folgen. Doch den dritten Platz hinter ÖVP und SPÖ beansprucht jetzt BZÖ-Chef Westenthaler.
Das Demokratieverständnis der anderen Parteien, insbesondere der ÖVP, steht auf dem Prüfstand: Denn bis Ende August muß sich unter Ägide des ÖVP-geführten Innenministeriums die Bundeswahlkommission konstituieren und über die FPÖ-Proteste gegen die auf Wählertäuschung hinauslaufenden Forderungen und Vorgehensweisen des BZÖ entscheiden.
Für den Fall einer negativen Entscheidung drohte FPÖ-Chef Strache inzwischen mit der Anforderung von OSZE-Wahlbeobachtern. Doch stellt sich jetzt heraus, daß dies gar nicht möglich ist: Denn Österreich unterzeichnete zwar die diesbezüglichen Verträge und entsendet selbst Beobachter, wo immer dies die in Wien ansässige Osze verlangt. Wahlbeobachter anfordern kann aber nur eine Regierung, und die österreichische könnte dies gar nicht, selbst wenn sie wollte, denn es gibt in Österreich keine gesetzlichen Grundlagen für ausländische Wahlbeobachter! Man werde dies nachholen, hieß es im Innenministerium - in der nächsten Legislaturperiode. So ist nicht mehr ausgeschlossen, daß es erstmals zur gesamten Anfechtung einer Nationalratswahl kommen wird. |
|