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Schröders Tiefschlag

 
     
 
Als Kanzler a. D. hat Gerhard Schröder immerhin eines noch geschafft, er hat die politische Kultur auf einen neuen Tiefpunkt abstürzen lassen. Es ist keineswegs nur schöne Tradition, daß ehemalige Regierungschefs sich ihren Nachfolgern als Berater anbieten, sie in schwierigen Situationen mit stiller Diplomatie unterstützen - es ist zwingend notwendig, um in Kontinuität regieren zu können, vor allem in Sicherheitsfragen und in der Außenpolitik. Und diese Haltung sollte eine Selbstverständlichkeit
sein - aus Respekt vor dem Staat und dem Amt. Die Grundregel heißt, ein Kanzler oder Minister darf sich öffentlich zu allem äußern, nur nicht zu seinem Nachfolger und dessen Geschäftsbereich. Helmut Schmidt ist so mit Helmut Kohl umgegangen, über alle persönlichen Erfahrungen hinweg. Kohls Ratgeber-Offerte an Schröder stand, aber sie wurde nie angenommen; selbstverständlich blieb Kohl diskret.

Denn welche Regel gilt schon bei einem Gerhard Schröder. Von allen Kraftmeiereien, die er bei der Vorstellung seiner Memoiren an den Tag legte, darf dies nicht vergessen werden: Er hat seine Nachfolgerin im Kanzleramt mit groben Sätzen beleidigt und damit auch gezeigt, daß er auf gute demokratische Traditionen im Regierungsgeschäft keinen Wert legt. In einem "Spiegel"-Interview verteilte er schlechteste Noten, Angela Merkel könne nicht führen und regiere "mit dem Gegenteil von perfektem Handwerk".

Die Kampagne zur Vorstellung der Autobiographie war minutiös geplant, von Rechtsanwälten beraten und von Medienagenten betreut. Die meisten Rempeleien sind schon wieder vergessen, auch wenn Nackenschläge für seine einstigen Weggefährten dazugehörten. Aber Schröder weiß, wie das Leben spielt. Maximales Aufsehen erregen ist ihm wichtiger als alles andere, nur wer bekannt ist, kann seinen Erfolg genießen.

Um es vorweg zu sagen, mit einem Band eine Million zu machen, sei ihm trotz Kanzlerpension gegönnt - schließlich wird niemand gezwungen, Schröders "Entscheidungen" auch zu kaufen.

Ob das Buch sich lohnt, ist die andere Frage. Üblicherweise schreiben Politiker ihre Erinnerungen an die Regierungsjahre nieder, weil sie glauben, sich und der Welt dies schuldig zu sein. Demokratien leben von der Transparenz des Handelns, jeder soll nachvollziehen können, wie Entscheidungen zustande gekommen sind. Es gibt Memoiren, die sich darüber hinaus spannend, sogar vergnüglich lesen, auf jeden Fall müssen Autobiographien die "weißen Stellen" füllen, sich später zu einem Geschichtsbild heranziehen lassen.

Wer Schröder kennt, weiß jetzt, wo das Problem liegt. Immerhin ist er der erste deutsche Regierungschef gewesen, der keinen "politischen Auftrag" umsetzen wollte, sondern nach Wetterlage regierte - was wollte man nachlesen? Seine Außenpolitik ohne Konzept nachzuzeichnen lohnt auch nicht. Von der Anbiederung an den Putin-Clan haben die meisten Bürger ohnehin schon genug erfahren. Und der Reformenfriedhof im Inland, den die rot-grüne Regierungsmannschaft hinterlassen hat, ist bleibender Schaden.
 
     
     
 
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