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Leuchtend weiß schimmert das Segel in der Sonne, der Himmel ist wolkenlos, das Wasser glitzert grünlich-türkis, es weht kein Lüftchen. Eigentlich ein herrlicher Tag, doch für die Segler auf dem Mauersee in Masuren bedeutet dieses Wetter Stillstand. Zwar sind die Boote auch mit Motoren ausgestattet, die das Fortkommen bei Flaute sichern, doch das finden die Masurenreisenden ziemlich unsportlich. Schließlich wollen sie die Natur erleben, Motorengeräusch gehört nicht dazu. Wer zuerst auf die Idee kam, weiß keiner von den 22 Reiseteilnehmern so recht, doch plötzlich sind sie bis auf zwei alle im Wasser, ziehen schwimmend mit Seilen ihre Boote in den nahegel egenen Hafen und machen daraus auch noch ein Wettrennen.
"Die Reiseteilnehmer suchen alle das Abenteuer", erklärt Reiseleiter Gerald Schulz das Verhalten seiner Gruppe, "dabei kommen sie manchmal auf die ungewöhnlichsten Ideen." Allerdings sind nicht alle Gruppen so "verrückt" wie diese.
Gerald Schulz hat vor 13 Jahren auf einer Jugendreise den Weg nach Masuren gefunden. Die Region faszinierte ihn so, daß er auf die Idee kam, selbst Reisen dorthin zu veranstalten. Vor zehn Jahren schaltete er dann eine Anzeige, woraufhin das Telefon nicht mehr still stand. Alle wollten nach Masuren. Inzwischen fährt der 34jährige bis zu 25-mal im Jahr in die naturbelassene Landschaft. Die meisten der Teilnehmer sind zwischen 20 und 45 Jahren, aber auch über 60jährige sind auf den Segelbooten anzutreffen, die innerhalb einer Woche von Angerburg nach Nikolaiken segeln. Von Berlin geht es mit der Bahn nach Masuren und dann auf die Boote. Geschlafen wird in den Kajüten, im Zelt oder am Lagerfeuer unter Sternenhimmel.
Schulz amüsiert sich stets neu über die wandelnden Eßgewohnheiten seiner Schützlinge. Wer am ersten Tag noch seinen Tisch auf dem Schiff zivilisiert mit Serviette und Teller deckt, picknickt am letzten Tag auf der Wiese am Ufer: ein Prozeß der Annäherung an die Natur, der man auf dieser Reise wirklich sehr nahekommt. Grund dafür sind auch die moderaten Umweltschutzbestimmungen in Polen. Hier kann man mit den Segelbooten überall anlegen, das Seil um einen Baum schlingen und am Lagerfeuer nächtigen. Diese ungewohnte Freiheit läßt die Reisenden näher an die noch ungezähmte Natur Masurens rücken.
"Ein Abenteuer mit doppeltem Netz" nennt Schulz seine Segeltour über die masurische Seenplatte. Viele der Urlauber sind zwar Anfänger und müssen das Segeln noch lernen, aber bis jetzt ist noch niemand über Bord gegangen. Dafür sorgen auch die Skipper. Wer nicht nur die Beine über Bord baumeln lassen, sondern auch etwas von der Umgebung sehen will, dem werden Ausflüge in nahegelegene Orte angeboten. Auch eine ganztägige Kanutour kann gebucht werden. "Jede Reise ist etwas anders, schließlich kann man Wind und Wetter nie vorhersehen, die Laune ist bei uns jedoch fast immer gut." Grund dafür ist auch, daß Schulz inzwischen gelernt hat, aus der Not eine Tugend zu machen. Als der Bus zum Bahnhof am Abreisetag eine Panne hatte und kein Taxi zu bekommen war, trieb er einen Traktor auf, der die Reisegruppe auf dem Heuwagen ans Ziel brachte. Fritz Hegelmann
Abenteuer in Masuren: Wer der Natur einmal ganz nahekommen, eine traumhaft schöne Landschaft genießen und ganz einfach mal den Alltag vergessen will, sollte für den nächsten Urlaub eine Reise nach Ostdeutschland in Erwägung ziehen - zum Beispiel einen Segeltörn von Angerburg nach Nikolaiken (Foto links).
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