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Sentimentaler Charme

 
     
 
Verweile doch, du bist so schön", mag der eine oder andere Reisende des frühen 19. Jahrhunderts frei nach Goethe geseufzt haben, sah er eine atemberaubende Aussicht, ein besonders idyllisch gelegenes Tal oder ein prächtiges Schloß. Könnte man diesen Eindruck nur mitnehmen nach Hause, damit man sich immer wieder erinnere an unvergeßliche Momente der Reise. Touristen von heute haben mit diesem Wunsch gar kein Problem - Fotos und Videos
rufen noch Jahre später Erlebnisse aus dem Urlaub in das Gedächtnis zurück. Im frühen 19. Jahrhundert aber war dies eine Utopie. Dennoch hatten die Menschen eine große Sehnsucht nach Bildern. Mancher griff zu Skizzenblock und Bleistift und fertigte eigenhändig Zeichnungen von seinen Reiseerlebnissen an. Doch nicht jeder war so begabt wie etwa Johann Wolfgang von Goethe oder Ferdinand Gregorovius, die "ihr" Italien mit dem Stift festhielten.

Hinzu kam, daß durch die Erfindung der Eisenbahn auch die Geruhsamkeit einer Reise in Vergessenheit geriet. Der besondere Augenblick, der Anblick einer schönen Landschaft zog viel zu schnell vorüber. Was waren das noch für Zeiten, als man sich mit der Postkutsche oder zu Pferd zwar mühsam, aber doch weitaus langsamer durch die Lande bewegt hatte!

Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen - die industrielle Revolution hatte zur Verarmung vieler Menschen geführt - war man im Sudetenland, in Schlesien und in Böhmen nun auf die Idee gekommen, verschiedene Souvenire herzustellen, die von der Schönheit des Landes kündeten und von den Reisenden in ihre Heimat mitgenommen werden konnten. Findige Handwerker, manche unter ihnen großartige Künstler, schufen sogenannte Dioramen, Materialbilder in unterschiedlichen Formaten. Ganze Landschaften "packten" sie in kleine gerahmte Kästen; sie malten Berge und Burgen, formten aus Moos Bäume und Hecken, brachten mit Glassplittern einen Wasserfall oder einen Fluß zum Glitzern, schufen kleine Menschen und Tiere aus Papier, die bei entsprechendem Lichteinfall sogar Schatten warfen. Mancher Künstler achtete selbst auf die kleinsten Details, wie etwa auf ein Handtuch, das eine Wäscherin in einem Busch aufgehängt hat. Momentaufnahmen aus dem Leben im 19. Jahrhundert, ein Blick aber auch auf Sehenswürdigkeiten und eindrucksvolle Landschaften findet man in den 3D-Schaubildern, die das Altonaer Museum in Hamburg noch bis zum 18. September zeigt (täglich außer montags 11 bis 18 Uhr). Im Anschluß ist die Ausstellung, die vornehmlich mit Exponaten aus der Sammlung des Hamburgers Jürgen Glanz bestückt wurde, im Oberschlesischen Landesmuseum Ratingen, in Breslau, in Berlin und in Görlitz zu sehen. Bezaubernd der sentimentale Charme dieser dreidimensionalen Materialbilder, die nicht nur Sammler wie Jürgen Glanz faszinieren, sondern auch die Besucher der Ausstellung zweifellos in ihren Bann ziehen werden. Peter van Lohuizen

Die Tivoli Fälle: Das Moosdiorama wird Anton Petz aus Warmbrunn zugeschrieben. Altonaer Museum
 
     
     
 
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