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Nun, da wir mit Tannengrün und haltbaren Gestecken die Grabstätten lieber Verstorbener schmücken, nasses Laub die großen Rasenflächen vieler Friedhöfe bedeckt und die Tage merklich kürzer geworden sind, werden manche unter uns sehr nachdenklich, weil ja auch die eigene Lebenszeit verrinnt. Im Alltagsgeschehen bleibt uns dafür allgemein keine Zeit und Muße. Wir haben an jedem Tag viel, sehr viel vor! ... "Und das ist gut so!" reden wir uns ein.
Das Leben als Single mag zuweilen unbeschwert und günstig sein, ist aber für Verwitwete und ältere Alleinstehende oft eine große Last. Wieviel Einsamkeit, Stolz, Trotz, Verzweiflung oder auch Enttäuschung birgt - testamentarisch vermerkt - wohl die Bitte oder gar Verordnung einer anonymen Bestattung, um auch Angehörigen nicht die höheren Kosten und Mühen für Trauerfeier und Grabpflege aufzubürden?
Seit Jahren schon werden Grabstätten nur auf 20 oder 25 Jahre verkauft. Dann können sie neu erworben, belegt oder eingeebnet werden. Dadurch stehen zunehmend mehr Flächen vor allem auf städtischen Friedhöfen für anonyme Sarg- und Urnenbestattungen zur Verfügung. Diese Gebiete werden angelegt und gepflegt wie ein Park. Zu ihrer Kennzeichnung dient ein großer Stein mit künstlerisch gestaltetem Symbol und tröstendem Spruch, vielleicht auch ein Monument, in dessen Nähe Sargschmuck und Blumen der Besucher als Zeichen des Gedenkens abgelegt werden können. Ein Hauch von Frieden und beseelter Ruhe liegt über dem Gottesacker auch noch, wenn der Nebel höher steigt, Vögel im Gezweig zwitschern, Eichhörnchen in den Bäumen klettern und wir - beim Spazieren die kleinen Hügel sehend - überlegen, wie viele Maulwürfe mögen wohl gerackert haben, um die unterirdischen Gänge anzulegen?
Es ist eine andere Art von Trauerbewältigung und Andacht, die ein alter Friedhof vermitteln kann. Nach Neubestattungen gibt es hier offenbar keine Vorschrift, wie groß und aus welchem Material ein Grabmal gestaltet werden darf, das in Auftrag gegeben werden muß. Das Individuelle überwiegt, und viele Familien, welche die Grabstätten pflegen, sind seit Generationen in der Umgebung bekannt. Grabsteine sollen erinnern, Wortzeilen und symbolhafte Darstellungen vom Wollen, Wirken und Glauben der Verstorbenen berichten. Bewunderung nötigen schöne, kunsthandwerklich und von Meisterhand gestaltete Grabmale oft auch fremden Besuchern ab, die sich über liebevoll gepflegte Friedhöfe freuen und meinen, daß hier jeder wohl jeden gekannt habe, und das Wetteifern noch über den Tod hinaus gelte. Das Fromm-Sein zeigt sich auch im Gedenken an unsere Toten. Darum ist uns Trauernden der Flecken Erde, unter dem wir sie betteten, den wir schmücken, wenn wir ihrer gedenken, heilig. Weil nun aber viele Familiengrabstätten aufgegeben, die Flächen für anonyme Bestattungen ständig erweitert werden müssen und Lebensformen der heutigen Generationen, in denen partnerschaftliche, familiäre, konfessionelle Bindungen kurzfristiger, vielleicht sogar oberflächlicher zu werden drohen, ist zu befürchten, daß die Vereinsamung vor allem alter Menschen weiterhin zunimmt und noch quälender wird.
"Zum Sterben schön" heißt eine Ausstellung über Alter, Totentanz und Sterbekunst von 1500 bis heute, die noch bis zum 26. November im Kölner Museum Schnütgen, Cäcilienstraße 29, zu sehen ist. Im Anschluß wird sie im Goethe-Museum Düsseldorf (3. Dezember bis 21. Januar 2007) und in der Kunsthalle Recklinghausen (11. Februar bis 14. April 2007) gezeigt. Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog im Verlag Schnell & Steiner erschienen (2 Bände, 39 Euro im Museum, 49,90 im Buchhandel). |
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