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Das deutsche Volk als geduldige Schafsherde, die mehr oder weniger dumpf hinter bösen Hirten herläuft und von deren Hunden durch die Geschichte getrieben wird. Dieses Zerrbild zeichnet die sogenannte exemplarische Geschichtsbetrachtung von den Deutschen, die einen "obrigkeitsstaatlichen Sonderweg" gegangen seien, von Luther über Friedrich den Großen und Bismarck direkt zu Hitler. Die sogenannten 68er verinnerlichten dieses geklitterte Geschichtsbild, verdichteten es zu ihrem Mythos, rechneten alles was vor ihnen war zum "Faschismus" und rechtfertigten damit ihren skurrilen Alleinvertretungsanspruch für die Demokratie in Deutschland.
Einer, der diesem Zerrbild und seinen Machern überzeugend entgegen tritt, ist der Professor der Politikwissenschaft Konrad Löw (72), Leiter der Fachgruppe Politik der Gesellschaft für Deutschlandforschung. In den Rahmen seines verdienstvollen Wirkens paßt auch sein jüngstes Buch, in dem er den Widerstand der Katholischen Kirche sowie den vieler kirchentreuer Christen gegen die verhängnisvolle Rassenideologie der Nationalsozialisten darstellt*). Diese Kirchen hätten nicht geschwiegen und ihre Hilfsbereitschaft zugunsten existentiell gefährdeter Juden bewiesen. Löw macht an Hand zahlreicher Belege und Zitate deutlich, wie die Nationalsozialisten aus ihrer Sicht diesen Widerstand als einzige nennenswerte Gegnerschaft einstuften.
Löw führt Hochhuths Theaterstück "Der Stellvertreter" und den darauf bezogenen, im Februar 2002 präsentierten Film "Amen" von Costa-Gavras als Beweise für die einseitige Sicht auf das Verhalten der Kirchen und ihrer Repräsentanten. Zum ausgewogenen Bild gehöre jedoch die Darstellung von "Widerstand und Verfolgung", wie zum Beispiel die Zwangsmaßnahmen, denen über 12.000 namentlich bekannte Priester deutscher Diözesen ausgesetzt gewesen seien. Löw führt die Enzyklika "Mit brennender Sorge" aus dem Jahr 1937 und als evangelisches Pendent eine Denkschrift der "Bekennenden Kirche" an, in denen der Totalitätsanspruch der nationalsozialistischen Weltanschauung zurückgewiesen wurde und vom 4. Juni 1936 stammt. Bitter bemerkt Löw dazu: "Doch die Welt ließ sich deshalb die Olympischen Spiele nicht vergällen."
Im Jahre 1943, mitten im Krieg, habe der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in einem Schreiben an den Reichsführer SS Heinrich Himmler gegen die "menschenunwürdigen Verhältnisse in Häftlingslagern protestiert. Erfolgreich seien Proteste gegen Absichten gewesen, alle sogenannten Mischehen durch Gesetz zu scheiden, um noch unbedenklicher die jüdischen Partner den tödlichen Verfolgungen auszusetzen.
Gerade weil die Kirchen den zentralen Baustein der nationalsozialistischen Ideologie, den Rassismus, unmißverständlich ablehnten, wurden sie als Gegner angesehen. Die daraus resultierenden Handlungen der Kirchen wurden von den Nationalsozialisten rücksichtslos geahndet, was viele Opfer forderte.
Löws Buch ist alles andere als eine Art Freispruch für die mannigfaltigen Verstrickungen, Fehler und Irrtümer der Kirchen, aber es fordert zu einer gerechteren Betrachtung auf, die bei Anerkennung der Schuld die Blicke auch auf jene richtet, die Menschlichkeit und Anteilnahme gezeigt und bei eigener Gefährdung praktiziert haben.
Deutsche Geschichte in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit beweist, daß neben Unterwerfung unter den Totalitarismus auch zu allen Zeiten das Streben nach Freiheit und Menschenwürde stand. Das Wissen darum ist die wichtige Grundlage für das demokratische Selbstverständnis der Nation, gleichgültig, ob es sich am 20. Juli 1944, in der "Weißen Rose" oder eben auch im kirchlich-christlichen Bereich zeigte, den Löw eindrucksvoll beschreibt.
Dazu gehört aber auch der Widerstand gegen die zweite Herrschaft des Totalitarismus, des Kommunismus auf deutschem Boden nach 1945. Mehr noch als der Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist dieser Widerstand so gut wie unbekannt. Wer weiß etwas von den Studenten in Rostock und Greifswald, in Werdau, den Todesurteilen durch sowjetische Militärgerichte, vom Oberschüler Hermann Josef Flade und vom Opfertod des Pfarrers Oskar Brüsewitz, wer von den persönlichen Schicksalen der Opfer von Mauer und Stacheldraht?
*) "Die Schuld. Christen und Juden im Urteil der Nationalsozialisten und der Gegenwart", Verlag Dr. Ingo Resch, Gräfelfing, 20 |
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