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Die „Hauptsache“ erfuhr man so nebenbei: Mit der Anerkennung als eigenständiger Tarifpartner habe der Marburger Bund „Tarifgeschichte geschrieben“, bekundete stolz dessen streitbarer Vorsitzender Dr. Frank Ulrich Montgomery. Das hätte er auch schon ein paar Wochen früher haben können; Unterschiede zwischen dem vorletzten und dem letzten Angebot der Länder im Tarifstreit mit den Klinikärzten sind nur bei sehr genauem Hinsehen wahrnehmbar. Das im Vergleich zu den vollmundigen 30-Prozent-Forderungen fast schon dürftige Ergebnis muß Montgomery nun den von ihm Vertretenen schmackhaft machen. Was angesichts des berechtigten Zorns der Ärzte in den östlichen Bundesländern nicht einfach sein dürfte – wie die Urabstimmung über den neuen Tarifvertrag ausgeht, ist völlig offen.
Um der massiven Kritik auch aus den eigenen Reihen die Wucht zu nehmen, tritt Ärzte-Funktionär Montgomery die Flucht nach vorn an: „Nach dem Streik ist vor dem Streik“.
Nun will er 70000 an kommunalen Krankenhäusern angestellte Mediziner an die Arbeitskampf-Front führen, um dort zu erkämpfen, was die 22000 Ärzte in Landesdiensten bereits erreicht haben: den Status eines eigenständigen Tarifpartners auf „gleicher Augenhöhe“ mit der übermächtigen DGB-Gewerkschaft ver.di. Und nach der in den vergangenen 13 Streikwochen zur Schau getragenen Sturheit müssen sich auch die Patient en in städtischen und Kreiskrankenhäusern auf lang anhaltende Beschwernisse einstellen.
Die kommunalen Krankenhausbetreiber lehnen die Forderungen des Marburger Bundes generell ab und bestehen auf Anwendung des mit ver.di ausgehandelten Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst. Diese Position ist wegen der desolaten Finanzlage der Öffentlichen Hände verständlich, aber nicht unbedingt sachgerecht.
Die Tätigkeitsmerkmale des medizinischen Klinikpersonals unterscheiden sich wesentlich von denen der Müllwerker, der Sach-
bearbeiter in einem Statistikamt oder der Sekretärin des Bürgermeisters. Es dient der Sache, wenn hier spezifische Regelungen der Arbeitsbedingungen und -zeiten ausgehandelt werden – in diesem Punkt ist dem Marburger Bund beizupflichten.
Leider ist dieser Aspekt aber mit zunehmender Dauer des Klinikstreiks immer mehr in den Hintergrund getreten; am Ende war nur noch von Geld, Verbandsinteressen und verletzten Eitelkeiten die Rede.
Dafür den Kopf (oder welchen kranken Körperteil auch immer) hinhalten zu müssen, sind die Patienten in den Landes- und Unikliniken leid. Sie können sich nicht sicher sein, nunmehr endlich von Kampfaktionen verschont zu bleiben, und auch die in den kommunalen Krankenhäusern, die nach dem Willen der Marburger-Bund-Fuktionäre demnächst „dran sind“.
Die im Marburger Bund organisierten Ärzte sind in der Pflicht, endlich deutlich zu machen, wofür sie eigentlich gestreikt haben und vielleicht weiter werden. Sonst werden sie auf die Solidarität der Patienten nicht mehr zählen können. Juliane Meier |
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