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Deutschlands öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten gehen gleich "serienweise" an das Thema heran, "Spiegel" und "focus" legen eigens Titelgeschichten auf, bei den Tageszeitungen schägt die Stunde der "ins Archiv entsandten Sonderkorrespondenten" – Preußen ist in, um es neudeutsch auszudrücken. Längst ist nicht mehr auszumachen, welches Leitmedium diesmal der veröffentlichten Meinung das Stichwort gegeben hat – in aller Bescheidenheitheit vermuten wir einmal: Das war es wohl nicht, obwohl die Wochenzeitung der Freundeskreis Ostdeutschland früher als andere auf das heran-nahende Krönungsjubiläum aufmerksam gemacht hat.
Auf einmal entdeckt jeder das vor 300 Jahren entstandene Königreich; der "Spiegel" vermittelt gar den Eindruck, soeben habe Rudolf Augstein persönlich Preußen erfunden. Immerhin hatten ja schon zu DDR-Zeiten Honeckers Dialektische Materialisten den eher kläglichen Versuch unternommen, die Geschichte Preußens im sozialistischen Sinne umzuschreiben (als Vorreiter Lenins wirkte der Alte Fritz dann aber doch nicht sehr überzeugend) – man wundert sich also über fast gar nichts mehr.
Natürlich hat die jubiläumsbedingte Preußen-Welle in den deutschen Medien ihre positiven Aspekte: Allein schon die Tatsache, daß Preußen überhaupt so breit thematisiert wird, darüber hinaus aber auch das bis weit ins linksorientierte Spektrum hinein feststellbare Bemühen, diese wichtige Epoche der deutschen Geschichte nicht mehr ganz so einseitig und ideologisch geprägt darzustellen, wie man das bis vor kurzem noch gewohnt war. Bei näherem Hinsehen – vor allem bei der Preußen-Serie der ARD – stellt sich aber das Gefühl ein, daß hier ein paar Freundlichkeiten doch nur als Feigenblatt dienen, hinter dem man dann wie gewohnt den alten Vorurteilen frönen kann. Schade – wieder mal eine verpaßte Gelegenheit. Nina Schulte
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