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Sprachen öffnen Türen

 
     
 
Ich bin ein kleiner Däumling“, trompetete er selbstbewußt von der Bühne der Aula. Angetan mit den Stiefeln seines Vaters, die ihm natürlich viel zu groß waren, sagte er vor großem Publikum sein erstes Gedicht auf. Damals war er sechs Jahre alt - und wohl noch ein bißchen schüchtern, als der Applaus durch die Aula der Landwirtschaftlichen Realschule in Pogegen, Kreis Heydekrug, brandete. Nur mit entschiedenen Überredungskünsten gelang es schließlich, den kindlichen Rezitator noch einmal vor den Vorhang zu rufen. Heute hat Herbert Tennigkeit seine Scheu vor dem Publikum längst abgelegt und freut sich über den Applaus. Kein Wunder, schließlich ist der Schauspieler, der 1937 in Gröszpelken im Memelland das Licht der Welt erblickte, auf deutschen Bühnen wie dem Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg, den Städtischen Bühnen Köln, der Komödie
Frankfurt, der Münchner Schauspielbühne und den Ruhrfestspielen Recklinghausen und seit langem auch im Fernsehen zu Haus. Rollen wie die des Anästhesisten in der Serie „Die Schwarzwaldklinik“, als Passagier im „Traumschiff“ oder demnächst als Pfarrer in „Die Rettungsflieger“ machten ihn einem breiten Publikum bekannt. Einmal spielte er sogar bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg mit.

„Seine“ Ostdeutschland aber lieben ihn vor allem dann, wenn er Texte bedeutender Dichter und Schriftsteller wie Siegfried Lenz oder Arno Surminski liest. Dann kann der Schauspieler alle Register ziehen und nach Herzenslust durch Mimik und Gesten das gesprochene Wort unterstreichen. Da sieht man dann das Onkelche vor sich, das den Meschkinnes so liebt, oder auch die dralle Marjell, den aufgeweckten Bowke. Man hört den rauhen Nordost brausen und fühlt sich nach Ostdeutschland versetzt, so weit man auch davon entfernt sein mag, zeitlich und räumlich.

„Herbert Tennigkeit massiert Herz und Gemüt“, las man einmal nach einer Lesung in einer Kritik. Besucher des Deutschlandtreffens im vergangenen Jahr in Leipzig werden ein Lied davon singen können. Eins sei an dieser Stelle verraten: Auch 2002 wird Herbert Tennigkeit wieder mit dabei sein, wenn die Ostdeutschland sich in Leipzig treffen (am 22. und 23. Juni in der Neuen Messe). Vorher aber hat er einen ganz besonderen Auftritt zu leisten. Am 5. Oktober wird er wieder auf der Bühne stehen, wo vor 58 Jahren alles begann ...

Immer wieder ist Tennigkeit in seine Heimat gereist, hat Pogegen besucht und dort die Lehrerin Nikola Gluskova kennengelernt, die an seiner alten Schule heute litauische Kinder in Deutsch unterrichtet. Sie hat Tennigkeit gebeten, einmal vor den Kindern aufzutreten und ostdeutsche Literatur zu lesen. Herbert Tennigkeit sagte zu: „Gerade im Europäischen Jahr der Sprache ist es doch eine gute Sache. Sprachen öffnen Türen ...“ Neben den Kindern und Jugendlichen sind auch erwachsene Bürger des heutigen Pogegen eingeladen, an dieser denkwürdigen Lesung teilzunehmen. - Was dabei herauskommt? Ganz gewiß viel Vergnügen auf beiden Seiten.

 
     
     
 
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