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Kampf der Generationen?

 
     
 
Zu wenig Beschäftigte, zu viele Rentner, längere Lebenszeiten, zu wenig Kinder - für die bestehende gesetzliche Altersicherung ist dies ein tödliches Gemisch. Schon jetzt steckt diese Pflichtversicherung zur Versorgung mit Einkünften im Ruhestand, Rentenversicherung genannt, in akuter Finanznot. Von allein nämlich kann sie sich schon lange nicht mehr finanziell über Wasser halten, der Bund muß aus seinem Haushalt zuschießen. Das liegt daran, daß diese Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) von der Hand in den Mund lebt. Was sie an Beiträgen von den Berufs
tätigen einnimmt, gibt sie für die Rentenzahlungen an die Ruheständler umgehend wieder aus (Umlageverfahren). Über Rücklagen verfügt sie nicht. Ein solcher Kapitalstock wird, wie bei privaten Versicherungen üblich und zwingend, auch gar nicht gebildet. Kapitalgedeckt war die GRV nur bis 1957. Damals wurde sie unsolide und begann mit dem Umlageverfahren. Mit der Bezeichnung "dynamische Rentenversicherung" wurde sie dem Wahlvolk schmackhaft gemacht. Endgültig vollzogen wurde der Wechsel 1969. Beschönigend und falsches Vertrauen weckend nannte man das "Generationenvertrag".

Nun droht, aus dem Generationenvertrag ein Generationenkonflikt zu werden. Teilweise ist er schon in Gang gekommen. Der berufstätigen Generation wird bewußt, daß sie nach ihrem Berufsleben für ihre (unverändert hohen) Zwangsbeiträge nur noch zwischen 40 und 50 Prozent ihres früheren Arbeitsverdienstes bekommt statt wie einst zwischen 70 und 75 Prozent. Von diesem wenigen allein kann sie dann nicht mehr leben.

Und wie sicher der schmale Rest eines ferneren Tages wirklich ist, ist obendrein reichlich unsicher. So müssen sich die heute Berufstätigen die Aufforderung anhören, sie müßten nun noch zusätzlich anderweitig für ihr Alter vorsorgen.

Aber wovon denn, fragen alle Normalverdienenden besorgt und empört. Schon jetzt im Berufsleben fühlen sie sich (zu Recht) zu stark vom Staat mit den Beiträgen zu den gesetzlichen Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und für die Pflege sowie mit der steigenden Steuerbelastung gebeutelt. Mit einigem Recht sehen sie sich als die Verlierer dieses Umlageverfahrens, die dessen absehbaren und bereits wahrnehmbaren Niedergang ausbaden müssen. Die gegenwärtige Rentnergeneration nimmt sie dagegen als die Gewinner wahr, deren erworbene Rentenansprüche sie mit ihren Beiträgen polstern müssen, ohne selbst ein solches Ruhestandspolster mit diesen Beiträgen je zu erreichen. Das wird als ungerecht empfunden, das führt zu Unverständnis, zu Entrüstung, das schürt Neid, das erzeugt ein großes Unruhe- und Konfliktpotential.

Viele, wenn nicht gar die meisten der jungen Generation werden in der Feststellung einer Berufstätigen auch ihre eigene Situation erkennen: "Ich verdiene netto so viel, wie mein Großvater netto an Rente bekommt. Aber ich soll davon noch ein Haus bauen, Kinder großziehen und für mein Alter vorsorgen. Er dagegen hat das alles schon." Der Anlageberater und Autor des Buches "Die Rentenlüge", Bernd W. Klöckner, drückt dies weit drastischer aus. In einem Kurz-Interview durch die "Bild"-Zeitung auf deren Frage "Leben die Alten auf Kosten der Jungen?" hat er sich zu der Äußerung hinreißen lassen: "Eindeutig ja! Ich würde sogar sagen, daß die Alten die Jungen bestehlen. Denn die heutigen Rentner und Pensionäre bekommen weitaus höhere Altersbezüge, als die Jungen jemals bekommen werden. Und in dem Moment, wo die Alten mehr bekommen, als ihnen zusteht, und sich gegen notwenige Einschnitte lauthals wehren, bestehlen sie die Jungen."

Das ist nicht nur unzulässig zugespitzt, sondern auch unzutreffend, weil der Vorwurf des Bestehlens an die Falschen adressiert ist. Zutreffend muß es heißen "Die Politiker bestehlen, und zwar die Alten und die Jungen". Klöckner beteiligt sich mit solchen Sätzen an der Infamie und Verlogenheit amtierender Politiker. Es sind Politiker, die den "Generationenkonflikt" heraufbeschworen haben und nun schüren, um von ihrem Versagen und von jahrzehntelangen Fehlentscheidungen ihrer Parteien und Vorgänger abzulenken. Die berufstätige und gerade die junge Generation beklagt sich über die schlimmen Aussichten der GRV völlig zu Recht, aber der Adressat ihrer Anklage muß die verfehlte Altersversicherungspolitik der Politikerkaste seit Konrad Adenauer sein, die Alten sind die falschen Adressaten, denn auch sie gehören zu den Betrogenen.

Mit der versuchten Stimmungsmache, Jung gegen Alt aufzubringen und beide gegeneinander auszuspielen, werden Konflikte heraufbeschworen, die nur weiteres Unheil anrichten. Wenn die heutigen Rentner jetzt als die Glückseligen dargestellt und damit gleichsam gebrandmarkt werden, um sie zum Verzicht auf einen Teil ihrer vermeintlich zu hohen Rente zu nötigen, ist das genauso ungerecht, wie den heute Berufstätigen die finanzielle Last des dahinsiechenden Umlageverfahrens allein aufzuladen.

Verzichte nämlich haben die heutigen Rentner, die "Bestandsrentner", schon längst hinnehmen müssen. So ist die "dynamische Rente" endgültig verloren und mit ihr der einst zugesicherte Inflationsschutz. Alle, die schon Rentner sind, müssen damit fertigwerden, daß ihre Renten in den letzten beiden Jahren nicht mehr erhöht worden sind und auch 2006 nicht erhöht werden. Auf die Hälfte davon müssen sie seit Jahresbeginn unversehens sogar Einkommensteuer zahlen.

Die "Bestandsrentner" werden nun also eine um diese zusätzliche Steuer deutlich geringere Rente erhalten, obwohl sie ihr Arbeitsleben lang darauf vertraut haben, daß es bei dem bleibt, was ihnen führende Politiker einst versprochen haben. Dies wird ihnen erst dann richtig bewußt werden, wenn sie jetzt im neuen Jahr 2006 ihre Steuererklärung für 2005 ausfüllen, oder spätestens dann, wenn der Steuerbescheid eintrifft. Der Steuerpflicht ihrer Rente unterliegen nunmehr rund 3,3 statt bisher zwei Millionen Ruheständler (Schätzung des Bundesfinanzministeriums). Sie bekommen damit die Folgen des Alterseinkünftegesetzes zu spüren, das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist. Mit ihm wird schrittweise der Übergang zur sogenannten nachgelagerten Besteuerung der Renten (und Beamtenpensionen) geregelt. Immerhin ist diese nachgelagerte Besteuerung eine vernünftige und gebotene Neuregelung.

Indirekt gekürzt wurden die Bestandsrenten bereits 2004, weil die Rentner zu ihrer Pflegepflichtversicherung keinen Zuschuß mehr bekommen und den Beitrag dafür allein tragen müssen. Würde eine Privatversicherung so verfahren wie der Staat mit der Rentenversicherung, hätte sie sofort die Versicherungsaufsicht auf dem Hals.

Es ist also nicht so, daß nicht längst auch der heutigen Rentnergeneration einiges abverlangt wird. Ob noch mehr und auf welche Weise, hängt letztlich von den politischen Macht- und Mehrheitsverhältnissen ab sowie von der herrschenden Auffassung von Recht und Moral. Dabei ist zu bedenken, daß die Alten, je mehr sie sich ihrem Lebensende nähern, gegenüber den Jüngeren an Stärke und Lebenskraft verlieren und daher besonderen Schutz verdienen. Dazu gehört eben auch der Schutz ihrer Rente. Diese ist kein Almosen des Staates, sondern durch eigene Arbeit und vertraglich gesichert verdient.

Auf Verträge und Versicherungen muß Verlaß sein. Auf ihre Rente haben sich die Ruheständler im Vertrauen auf das Gesetz und die Versprechen der politischen Parteien und deren Politikern verlassen. Das Sich-Verlassen-Können liegt auch im Interesse der Jungen, wenn sie selbst darauf angewiesen sind, daß auf Verträge, Versicherungen und gesetztes Recht Verlaß ist.

Wenn sich die heute Berufstätigen zu Recht darüber beklagen, was ihnen die Parteien und Politiker jetzt in der GRV an Beitragslast und Aussicht auf dürftige Rente zumuten, dann sollten sie gemeinsam mit den Alten auf einen wirklichen Systemwechsel dringen, der schrittweise über eine lange Anpassungszeit (25, 30 Jahre) durchzuziehen ist - auch wenn den vollen Nutzen davon erst die Generationen danach haben.

Wesentliche Bestandteile des Wechsels müssen sein: das Umlageverfahren schrittweise in ein Kapitaldeckungsverfahren überführen, ebenfalls schrittweise das Staatsmonopol abschaffen und die Alterversicherung Versicherungsunternehmen im Wettbewerb überlassen, den Arbeitgeberanteil streichen und als zu versteuerndes Arbeitsentgelt auszahlen sowie die Beitragszahlungen nicht für versicherungsfremde Leistungen verwenden. Sollte es beim Staatsmonopol bleiben, müßten auch die Politiker mit ihrer eigenen Altersversorgung in dieses Monopol eingebunden werden. Die große Umsteuerung, die die große Koalition jetzt begonnen hat und die sich ebenfalls über eine lange Anpassungszeit hinstreckt, muß also am Ende weit mehr bringen als das, was sie bisher plant.

Politiker und Medien spielen mit dem Neid der Jungen

Rente ist kein Almosen vom Staat - Rentner haben Geld eingezahlt
 
     
     
 
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