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Die Renten sind sicher! Diese trotzige Parole plakatierte vor Jahren höchstpersönlich Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) und ließ sich dabei vo Pressefotografen ablichten.
Blüm setzte auf eine Rentenreform, die die bedenkliche demographische Veränderun behutsam auffangen sollte. Das von ihm im Sommer 1997 vorgel egte Rentenpapier sollte de Solidarausgleich zwischen den Generationen trotz ungünstiger werdender Zahlen bewahren die Alten müßten sich dennoch nicht vor Inflation fürchten und könnten von de wachsenden Produktivität ihrer arbeitenden Kinder unter Berücksichtigung de Bevölkerungsentwicklung profitieren, so Blüms Versprechen damals.
Die Zeiten ändern sich. Am 17. Februar dieses Jahres sagt Bundeskanzler Gerhar Schröder (SPD) wörtlich: "Ich stehe dafür, daß die Renten steigen wie die Nettoeinkommen." Im Juli 1999, nur vier Monate später, bricht er sein Versprechen.
Der Grund: Im Bundeshaushalt werden Löcher gestopft. 30 Milliarden Mark spart Oska Lafontaines Nachfolger, Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), im Haushalt für das Jah 2000 ein. Weil dies scheinbar so einfach geht, soll auch noch schnell ein weiteres Loch nämlich das in den Kassen der Rentenversicherung, gestopft werden.
Dafür wird nach den Plänen von Eichel und Arbeitsminister Walter Riester (ebenfall SPD) in den beiden nächsten Jahren die nettolohnbezogene Erhöhung der Altersrente ausgesetzt. Die Rentner sollen sich mit einem "Inflationsausgleich" bescheiden.
In den Jahren der Kohl-Regierung waren Arbeitsminister Norbert Blüm und die Sozialpolitiker der Union stets um breiten Rentenkonsens bemüht. Die Sozialpolitiker de Opposition wurden eingebunden, ohne dafür einen politischen Maulkorb tragen zu müssen Dies galt, bis die SPD 1997 aus wahltaktischen Gründen die Gemeinsamkeit aufkündigte.
Die Schröder-Regierung hat nach Aufnahme der Amtsgeschäfte zunächst den Eindruc erweckt, als ob sie die Praxis der Gemeinsamkeit in der Rentenpolitik neu beleben wolle Da von Unionsseite an der Renten- und Sozialpolitik der neuen Bundesregierung aber heftig Kritik geübt wird, hat der von der Diskussion über 630-Mark- un Scheinselbständigen-Gesetz angeschlagene Arbeitsminister Walter Riester offenbar kein Lust auf die Fortsetzung von Gemeinsamkeit in Sachen Rente. Riester zweifelte öffentlic daran, daß Rentenkonsensgespräche mit der Union einen Sinn hätten.
Vorausgegangen war eine Erklärung des CDU-Abgeordneten Karl-Josef Laumann über die Aufnahme von Rentenkonsensgesprächen. Laumann ist Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe de CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er hatte Gespräche der Union mit der Bundesregierung a Bedingungen geknüpft. Die wichtigste sei, "daß die rotgrüne Koalition die Rentenanpassung nach Kassenlage zwei Jahre lang nur Rentenzuwächse in Höhe de Inflationsrate zurücknimmt. Das muß vom Tisch, wir müssen zurück zu nettolohnbezogenen Rente!"
Laumann weiter: "Darüber hinaus muß die Bundesregierung bereit sein, den von de christlich-liberalen Koalition eingeführten demographischen Faktor in der Rentenformel zu akzeptieren. Durch diesen Faktor werden die Lasten aus dem veränderten Altersaufbau de Gesellschaft langsam und behutsam, gleichmäßig und gerecht auf Beitragszahler un Rentenempfänger verteilt. Es ist unverantwortlich von Rotgrün gewesen, vor der Wah dagegen Propaganda zu machen, den Faktor nach der Wahl auszusetzen und nun die Rentenwillkür an seine Stelle zu setzen."
Die fragwürdigen Mittel, mit denen die Rentenkassen wieder ins Gleichgewicht gebrach werden sollen, haben Deutschlands Rentner verärgert. Viele sprechen vo "Rentenbetrug". Zu befürchten ist, daß nach der Augenwischerei mi Rentenanpassungen auf Basis des Inflationsausgleichs spürbare Rentenkürzungen folgen Die Rentner von morgen werden so in eine zusätzliche Pflichtaltersvorsorge auf eigen Kosten gedrängt. Der Zwang dazu wird allein dadurch hervorgerufen, daß die zukünftige Renten allein nicht mehr ausreichen, die finanziellen Verpflichtungen im Alter zu bestreiten.
Auch Götz Beyer, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst un Dienstleistungen im Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB), erteilt der Anpassung der Rente an die Inflationsrate eine Absage: "Die beitragsbezogene Rente muß erhalten bleiben Renten sind keine Almosen, sondern Ansprüche, die über Jahrzehnte mühevoll erworbe wurden. Die Rentner dürfen nicht übervorteilt werden. Zukunft hat die Kombination vo staatlicher und betrieblicher Rente."
Kritik an der Rentenpolitik von Schröder, Riester und Sparkommissar Eichel kommt inde nicht nur aus den Unionsparteien oder den christlichen Gewerkschaften. Lautstar attackiert auch Reinhardt Klimmt, saarländischer Ministerpräsident und SPD-Parteilinker die Spar- und Rentenpolitik der im Bund regierenden Genossen. Für den um seine Wiederwah fürchtenden Lafontaine-Erben an der Saar geht es um die soziale Identität de Sozialdemokratie schlechthin.
Klimmt und seine Mitstreiter an der Saar wollen bei den Landtagswahlen nicht noc einmal erleben, was der SPD bei den Europawahlen widerfahren ist, als der Wähler eine Denkzettel für das 630-Mark-Gesetz und jenes über die sogenannte Scheinselbständigkei erteilte. Die Union hat ihre neue Chance erkannt und setzt jetzt auf den Wahlkampfhi "Rentenlüge".
CDU-Chef Wolfgang Schäuble ging mit einem Brief an die Betroffenen in die Offensive Darin heißt es: "Wortbruch und Willkür aber sind keine Grundlage für ein Rentenreform. Mit einer Rente nach Kassenlage setzt die Regierung Schröder vielmehr die Reformbereitschaft in Deutschland und das Vertrauen der Bürger in die Politik auf Spiel."
Unbestritten sei, so Schäuble, daß wir eine Rentenreform bräuchten, die auch be steigender Lebenserwartung für alle Betroffenen einen finanziell gesicherten Ruhestan garantiere und gleichzeitig die Jüngeren nicht durch zu hohe Beiträge belaste. E verweist darauf, daß die alte Regierung gerade damit begonnen habe, dem Rechnung zu tragen. Vielen ging der erste Schritt Norbert Blüms dabei noch nicht einmal weit genug Experten wollten schon errechnet haben, daß die nächste Anpassung nicht lange auf sic warten lassen würde. Schröder und Riester aber stoppten sogar die Blüm-Reform un gingen auf Wählerfang mit dem scheinbar warmherzigen Versprechen: Es bleibt alles so wi immer. Blüm und die Union mußten nur abwarten, bis Schröder und Riester mit Hilf dieses Füllhorn-Sozialismus in der Tinte landen würden, in der sie jetzt sitzen.
Zwei Entwicklungen haben das zum Funktionieren des Generationenvertrags erforderlich Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben der Rentenkassen erheblich gestört:
Zum einen werden die Rentner immer älter und beziehen ihr Ruhegeld länger, währen immer weniger aktive Einzahler zur Verfügung stehen. Nur bedingt war es möglich, die Einnahmen zu erhöhen, indem die Einzahler durch höhere Beiträge belastet wurden.
Zum anderen wurden in den vergangenen Jahrzehnten durch Entscheidungen der Politi immer wieder immer neue Leistungen und Anspruchsgruppen in die Rentenversicherun einbezogen. Der Staat entlastete sich dadurch zum Teil von Aufgaben, die aus politische Gründen gewollt waren und belastet die Solidargemeinschaft der Beitragszahler. Hier sieh sich auch Norbert Blüm der Kritik ausgesetzt, das arbeitsmarktpolitische Instrument de Vorruhestandes allzu freigebig angewendet zu haben.
Für die Beitragszahler, die mit ihren Beiträgen immer weniger Rendite erwirtschafte können, wird die gesetzliche Rentenversicherung zunehmend unattraktiver.
Besonders bemängelt wird an der Rentenpolitik von Rotgrün nicht nur, daß da Rentenniveau in kürzester Zeit drastisch abgesenkt wird. Bedenklich erscheint vor allem daß die Berechenbarkeit und die Verläßlichkeit und damit das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung leiden.
Noch sehen Beobachter in Berlin die Chance auf Einigung im Rentenstreit nicht gänzlic vertan. Wenn auf eine sogenannte "Grundsicherung" im Rahmen der gesetzliche Rentenversicherung, das sozialistische Element in den Rentenreformplänen der rotgrüne Koalition im Sinne einer überparteilichen Gemeinsamkeit verzichtet wird, wäre dies ei Signal für Kompromißbereitschaft.
Denn: Für das Existenzminimum ist die Sozialhilfe da. Ist die Rente nicht meh beitrags- und leistungsbezogen, dann hat vor allem der Generationenvertrag keine Chance Warum Beiträge zahlen, warum vorsorgen, wenn am Ende doch alle gut versorgt sind? Ob si nun wirklich verzichtet haben zugunsten ihrer Altersversorgung oder keinen Pfenni einzahlen mochten oder konnten?
Am härtesten ist die junge Generation betroffen. Nach Berechnungen des Verbande Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) beträgt die Rendite der Beitragszahlunge eines Rentners, der im Jahr 2000 in den Ruhestand geht, noch 6,51 Prozent. Ein jetz geborenes Kind, das 2060 in Rente ginge, kann dagegen nur noch mit einer Rentenrendit zwischen 3,2 und 4,4 Prozent rechnen.
Zum "Ausgleich" dieser Ausgabensteigerungen wurde ein Bundeszuschuß fü versicherungsfremde Leistungen in die Rentenkasse gezahlt. Er beträgt zur Zeit knapp 2 Prozent der zusätzlichen Ausgaben und ist an die Höhe des Beitragssatzes gekoppelt. Au der Suche nach Einsparungsmöglichkeiten ist Finanzminister Eichel der Versuchung erlegen beim Bundeszuschuß an die Rentenversicherung zu sparen, indem die Regierung die Ausgabe der Rentenversicherung herunterfährt.
Die von den zahlreichen Sparmaßnahmen in Gesundheits- und Sozialbereichen ohnehi gebeutelten Rentner werden an allen Ecken und Enden gerupft. Hätte die Regierung Koh einen solchen Weg eingeschlagen, wären die Sozialdemokraten dagegen als Anwalt de kleinen Leute aufgestanden.
Die unanständige Verquickung von Bundeskasse und Rentenversicherung ufert aus. Durc die im jüngsten Bundestagswahlkampf von Kanzler Schröder ausgelobte Einbeziehung de 630-Mark-Stellen in die Rentenversicherungspflicht verschärft sich die Problemlage Denn aus den Klein-Jobs können nac 40 Rentenversicherungsjahren nur rund 170 Mark Rentenansprüch entstehen.
Die "Mindestrente" in Höhe von 1000 bis 1500 Mark steht vor der Tür. Die nicht durch Einzahlungen gedeckten Differenzbeträge müssen durch andere Einnahme aufgestockt werden. Werden die Differenzbeträge auch nur teilweise aus dem Topf de Rentenversicherung entnommen, sind die langjährigen braven Einzahler wieder die Leidtragenden. Sie erhalten weniger Leistung, denn die Alternative, die heutige Beitragszahler noch stärker zur Kasse zu bitten, besteht nicht mehr
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