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Staunen und wundern

 
     
 
Über dem Land liegt Gewitterschwüle. Kein Luftzug bewegt da Blattwerk der alten Kastanienbäume, die den Pfarrhof umstehen. Drinnen im Pfarrhau herrscht angenehme Kühle. Hochgewachsene Geranienstöcke, die fast die ganz Fensteröffnung ausfüllen, verbreiten ein grünliches Dämmerlicht in den Räumen Pfarrer Hildebrandt, Pfarrherr in Adlig Kessel, sitzt lustlos über seine Sonntagspredigt, mit deren Ergebnis er nicht so recht zufrieden ist.

Als an der Haustür zaghaft der Klopfer anschlägt, ist ihm die Unterbrechun willkommen. Draußen steht ein barfüßiger Junge aus Lisuhnen, einem der fünf Dörfer die zu seinem Kirchspiel gehören. Die Mutter habe ihn geschickt, mit dem Großvater geh es zu Ende, der Pfarrer solle sofort kommen und ihm das heilige Abendmahl bringen, stöß er keuchend hervor.

Der Pfarrer schaut sich verwundert um. Nirgendwo ist, wie sonst üblich, ein Fuhrwer zu sehen, das ihn zu dem Kranken bringen soll. "Die Fuhrwerke sind alle auf de Wiese, um das Heu einzufahren", gibt der Kleine Auskunft.

"Schöne Bescherung", ärgert sich der Pfarrer. Was nun? Seine seelsorgerischen Auftrag, einem Todkranken beizustehen, kann er sich nicht entziehen. Da einzige Beförderung
smittel auf dem Pfarrhof, das Räder hat, ist das schon betagt Fahrrad seiner Frau. Er hat keine andere Wahl, als sich auf das Vehikel zu schwingen un die fünf Kilometer nach Lisuhnen auf sandigen Wegen zurückzulegen. Zu damaliger Zeit wa ein radelnder Pfarrer ein ungewohnter, ja sogar ein ungehöriger Anblick, und dem sollt er sich jetzt aussetzen.

An dem bezeichneten Anwesen angekommen, steht sowohl die Hof- als auch die Haustü offen. In der Stube trifft er den Kranken im Bett liegend an. Zu seiner Verwunderung is kein Familienmitglied anwesend, viel weniger die Nachbarn und Freunde der Familie, wie e es sonst bei Krankenbesuchen gewohnt ist, die das Abendmahl singend und betend mitfeier und meistens auch daran teilnehmen.

Der noch junge Pfarrer fühlt sich unbehaglich, ja alleingelassen. Doch sein Amt läß ihm keine Wahl. Tapfer betet er mit dem Kranken. Die vertrauten Gebete geben ih Sicherheit, und er vollzieht die Weihehandlung. Kaum ist diese beendet, kriecht de vermeintlich Todkranke aus seinem Bett und kramt aus einer Kommodenschublade die fällige Stolgebühren hervor. Kopfschüttelnd macht der Pfarrer sich auf den Heimweg.

Es hat noch einige Jahre gedauert, bis er sich mit den Masuren auskannte, an die e später mit viel Wehmut zurückdachte.

 
     
     
 
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