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Spaziergänger sind im April mancherlei Gefahren ausgesetzt. Das nimmt zwar dem April, der dem sogenannten Wonnemonat Mai endgültig den Weg ebnet, nichts von seinen Reizen; er ist trotz allem der Monat des be- glückenden Übergangs. Und doch ist er ein ganz rigoroser Bursche. Er versucht es mit allen Mitteln. Die Besen, mit denen er kehrt, sprechen wohl eine herzliche, aber auch zugleich eine rauhe Sprache.
Seine Besen sind der Wind. Und der Sturm. Er weiß sie vortrefflich zu handhaben, diese beiden. Er pumpt seine riesigen Lungen so voll Luft, daß ihm die Backen zu platzen drohen. Dann bläst er ganz plötzlich, während er sich versteckt hält hinter irgendwelchen Bäumen oder einem Häuserblock, den Spaziergängern die Hüte von den Köpfen.
Und das macht ihm einen Riesenspaß! Auch ich hatte mir einen neuen Frühjahrshut gekauft. Wissen Sie, so einen hellgrauen, der in der Sonne leuchtet und den man gar nicht anfassen mag, weil man Angst hat, er könnte schmuddelig werden.
Auf ihn, diesen meinen neuen Hut, hatte es der pausbäckige, impertinente Bursche abgesehen. Er fegte ihn von meinem Kopfe, daß es mir geradezu die Sprache verschlug. Ich sah ihn davonrollen, meinen neuen Hut, wie auf Kugellagern, und seine Geschwindigkeit war sicher eine innerhalb der Stadtgrenzen gar nicht erlaubte.
Natürlich machte ich mich sofort an die Verfolgung. Ich sah ihn auch noch irgendwo in der Ferne einen fabrikneuen, frühlingsfarbenen Mittelklassewagen überholen - aber dann hatte ich ihn aus den Augen verloren!
Wenn Sie bitte sehr bedenken, daß der Hut achtundachtzig Euro und neunzig Cent gekostet hatte, dann werden Sie verstehen, daß ich trotzdem weiterlief. Aufs Geratewohl lief ich weiter, in der Hoffnung, ihn irgendwo einzuholen, und dann, ganz plötzlich, wenige Schritte vor mir ...
Nein, aber das war ja gar nicht mein Hut! Ich hielt ihn in der Hand, betrachtete ihn wie ein Wundergebilde von einem anderen Stern ... Es war ein hauchdünnes Farbengeflüster, rosa, mit etwas Gelb und viel Grün, ein mit neckischen Bändern verziertes Gedicht ...
"Oh, ich danke Ihnen! Zu liebenswürdig von Ihnen, daß Sie sich die Mühe machten. Es ist nämlich ein Modellhut, und er kostete neunzig Euro und neunzig Cent. Es wäre schade um ihn gewesen!" Ein zweites Gedicht stand vor mir. Noch schöner und vollkommener als das erste. Blond, schlank, wohlgeformt. "Ehrensache, mein Fräulein!" sagte ich, noch ganz außer Atem. Ich zog meinen Hut - wollte ihn ziehen - und sagte: "Ich freue mich, Ihnen behilflich gewesen zu sein. Es hat mir überhaupt keine Mühe gemacht, wirklich nicht, ich laufe gern, jogge jeden Morgen! Und in Anbetracht dieser", stotterte ich, "in Anbetracht dieser Sachlage, gewissermaßen ... möchte ich mir erlauben, Sie zu einer Tasse Kaffee einzuladen ..."
"Oh", sagte das Gedicht, "sprechen Sie doch bitte deshalb mit meinem Verlobten, dort kommt er gerade zurück. Er war ebenfalls hinter meinem Hut her, wenn auch, wie wir wissen, ohne Erfolg."
Es war ein Hüne von Kerl. So groß und stark dürfte ein Mensch eigentlich gar nicht werden. "Schau, Liebling", sagte er, "diese Rennerei hat sich doch wenigstens gelohnt! Das Ding paßt wie angegossen!"
"Herr!" rief ich außer mir. "Aber das ist mein Hut! Er ist mir vor ein paar Minuten davongeflogen! Ich muß doch bitten! Während ich mich hier um den Hut Ihrer Verlobten kümmere, eignen Sie sich mir nichts, dir nichts meinen Hut an, das ist doch wohl die Höhe. Was erlauben Sie sich? Was sind Sie mir nur für einer?!"
"Gestatten - Meier", lächelte der Hüne. "Langstreckeneuropameister 1989, um das nicht zu vergessen, finnischer Meister im Schwergewicht 1992!" - "Oh! Na, dann entschuldigen Sie vielmals", sagte ich schnell und ging barhäuptig nach Hause. Künftig werde ich meine Baskenmütze aufsetzten, wenn wieder die Frühlingswinde wehen ... |
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