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Er vergißt keinen wichtigen Einsatz und hält in jedem Moment der Aufführung alles unter Kontrolle. Mitunter genügt eine geringe Erhebung der beiden Arme, um ein dröhnendes Fortissimo der Blechbläser auszulösen", las man zum 90. Geburtstag in der Tageszeitung Die Welt über den Dirigenten Günter Wand. Nur wenige Wochen später starb der 1912 in Elberfeld Geborene, der noch im hohen Alter zum Taktstock griff und sein Publikum begeisterte, in der Schweiz. Vielleicht lag es daran, daß er sich als "Treuhänder" der Komponisten sah, daß er ihr Werk so darbrachte, wie sie es gemeint hatten, wenn er so sehr bewundert wurde.
"Noten haben mich immer mehr interessiert als Banknoten", soll er einmal gesagt haben. Und: "Mein Ideal ist das Musizieren mit - wie Arnold Schönberg einmal gesagt hat - Kopf und Herz zu gleichen Teilen. Überwiegt eines, ist das Ideal schon verletzt, in der Komposition wie in der Wiedergabe ... Ich habe von Anfang an den unglaublichen Ehrgeiz besessen, im Musizieren den Kompositionsprozeß noch einmal bis ins kleinste ‚nachzudenken ..."
Und so war es ihm ein Graus, wenn er an seine erste Zeit als Erster Kapellmeister und Musikdirektor der Kölner Gürzenich-Konzerte (1938-1974) dachte. Die Beethoven-Partituren waren derart verändert und verfälscht worden, daß er es geradezu als ein Sakrileg empfand. Überhaupt spielte Beethoven für Wand eine besondere Rolle, hatte er doch mit einem Beethoven-Programm und dem London Symphony Orchestra sein Debüt in Großbritannien gegeben. So gilt die Interpretation der Werke dieses großen Tonsetzers neben denen von Schubert, Brahms und vor allem Bruckner als Meilenstein im Schaffen des Günter Wand.
Freunde seiner Kunst werden nun auch gern von einer Reihe von CDs hören, die Beethoven-Aufnahmen von Günter Wand mit dem Gürzenich-Orchester aus den 50er Jahren beinhalten. Der Club Francais du Disque hatte Wand damals das Angebot gemacht, sein weitumfassendes Repertoire (rund 40 Werke) einzuspielen. Diese Produktionen werden jetzt wieder zugänglich gemacht, darunter die Einspielungen von Werken Beethovens mit dem Gürzenich-Orchester: Missa solemnis, Sinfonie Nr. 3 Eroica (Testament SBT 1283), Sinfonien Nr. 1 und 7 (Testament SBT 1284), Sinfonie Nr. 2, Ouvertüren Coriolan, Egmont, Leonore Nr. 3 (Testament SBT 1285), Sinfonien Nr. 4 und 5 (Testament SBT 1286) und Sinfonie Nr. 9 (SBT 1287).
"Sein Dirigierstil war auf erfrischende Weise unaffektiert, seine Zeichengebung unauffällig und perfekt kontrolliert, und zahlreiche seiner Aufnahmen gelten Musikfreunden und Musikerkollegen als das Maß der Dinge", schreibt Michael McManus im Begleitheft zu den CDs. Wenn auch die Qualität der Aufnahmen die Nachkriegszeit nicht verleugnen kann, so ist doch die Präzision der Ausführung noch heute faszinierend.
"Gelernt" hat Günter Wand sein Handwerk übrigens im ostdeutschen Allenstein, wo er sich vier Jahre lang als Zweiter Kapellmeister am "Treudank", dem vom Staat Preußen als Dank für den Abstimmungserfolg gestifteten Theater, erste Sporen verdiente. Alle 14 Tage mußte ein neues Werk einstudiert werden, und das mit kleinem Orchester, das bei Bedarf durch die Militärmusiker der örtlichen Garnison verstärkt wurde. Im Sommer gab s Gastspiele in anderen Orten Ostdeutschlands - oft ohne jede Probe. Eine gute Schule, wie man später feststellen konnte. Peter van Lohuizen |
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