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Tod und Sinnbedürfnis

 
     
 
Zu den Fragen, die im November am ehesten das Bewußtsein erreichen, gehört ohne Zweifel das alle Menschen berührende Thema Tod, über das Martin Luther befand: "Wir sind alle zum Tode gefordert, und es wird keiner für den andern sterben, sondern jeder muß in eigner Person geharnischt und gerüstet sein, mit dem Tode zu kämpfen." Nüchtern betrachtet bedeutet der Tod das Ende des organischen Lebens. Mit einer derartig illusionslosen Sicht aber wollte und konnte sich der Mensch in keiner Phase seiner irdischen Existenz zufriedengeben – das Wort vom "Staub zu Staub" genügt nicht, um die menschliche Situation zu klären.

Das Bedürfnis nach "Sinn" hat immer wieder dazu geführt, daß das Phänomen des Todes in einen größeren Zusammenhang gestellt wurde. In der griechischen Philosophie
wurde der Tod des Menschen weithin als Befreiung der Seele aus dem Gefängnis des Körpers und als Übertritt in die Unsterblichkeit gedeutet. An die Vorstellungen griechischer Philosophie knüpfte die christliche Lehre vom "Leben nach dem Tod" an, die für unser Selbstverständnis bestimmend geblieben ist.

Die wohl tiefschürfendsten Gedanken zum Thema "Tod" und "Sein" in der Philosophie der Gegenwart stammen von Martin Heidegger. Dieser deutete den Tod als die ständige "Präsenz des Nicht-Seins". Das Dasein des Menschen charakterisiert Heidegger wesentlich als "Sein zum Tode". "Im Dasein" stehe, "solange es ist, je noch etwas aus, was sein kann und wird". Als die immer gegenwärtige Möglichkeit des Nicht-Seins im Sein ist der Tod seinem Wesen nach Angst, die Heidegger zur Grundbefindlichkeit der menschlichen Existenz erklärt. Der Tod ist die eigenste Möglichkeit des Menschen, denn allein er kann sterben – ein Tier verendet. Nur der Mensch versteht sich auf seine Sterblichkeit. In den Abgrund des Todes reichen keine menschlichen Beziehungen hinein, er vereinzelt den Menschen und macht alle Belange gegenstandslos. Hier liegt wohl auch der Grund, daß der Mensch vor dem Faktum des Todes zwischen Resignation und Auflehnung schwankt.

In seinem Werk "Unterwegs zur Sprache" schreibt Heidegger: "Im Tod versammelt sich die höchste Verborgenheit des Seins". Der Tod habe "jedes Sterben schon" überholt. Heidegger bezieht sich hier auf die Georg Trakl-Verse: "Mancher auf der Wanderschaft / Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden". Heidegger ist der Auffassung, daß sich der Mensch unentwegt auf der Wanderschaft zum Tode befindet. Hierauf hebt auch der Psalmist im Alten Testament ab, wenn er Gott "unsere Zuflucht" nennt. Gott ist das einzig Beständige im Wechsel der Zeiten. Deshalb schreibt der Psalmist: "Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit". Er will damit sagen, daß Gottes Zeitmaß weit über das durch Sterblichkeit begrenzte menschliche Maß hinausgeht. Aus der Sicht Heideggers bildet der Tod die Gestalt, in welcher das Geheimnis aller Geheimnisse den Sterblichen angeht. Durch den Tod ist der Mensch ständig beansprucht, dem Sein zu entsprechen, dessen Geheimnis nicht zu entschleiern, sondern zu hüten.

Aus christlicher Perspektive gesehen wird das Geheimnis des Todes durch die Auferstehung der Toten überboten. Paul Tillich sprach in diesem Zusammenhang von dem "Neuen Sein", das über das "Alte" hinausweise. Was in Auflösung untergegangen war, taucht als "Neues Sein" wieder auf. Es ist dieses "Neue Sein", das die Macht hat, Leben aus Tod zu schaffen. Sich dieser Macht zu ergeben, heißt im Grunde genommen glauben. Es ist diese Gewißheit, die den Gläubigen in die Lage versetzt, den Kampf gegen das Mysterium des Todes anzunehmen und zu bestehen. Genau dies meinte Paulus, als er schrieb: "Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?"

 

 
     
     
 
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