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Die neueste Fernsehsicht auf diesen Gegenstand (Preußen), die seit dem 26. November unter dem Titel "Preußen Chronik eines deutschen Staates" jeden Sonntag im ARD-Programm läuft, liefert
nur noch historische Abziehbilder der nicht mehr herausgeforderten Gewißheiten unserer Gegenwart. Gedacht als Fernseh-Kalenderblatt zur Dreihundertjahrfeier des 18. Januar 1701, an dem sich in Königsberg Kurfürst Friedrich III . zum "König in Preußen" krönte, will die sechsteilige Serie in insgesamt drei Stunden zweieinhalb Jahrhunderte preußischer Geschichte Revue passieren lassen. Schon das ist ein vermessenes Unternehmen, das Geschichte auf einen Bilderbogen mit Kommentaren von der analytischen Qualität eines Bänkelsangs reduziert.
Wer so im Galopp durch die Vergangenheit prescht, kann nichts mehr erklären, hat keine Zeit für Differenzierungen. Man hält sich ans Gröbste und entdeckt halt überall und von allem Anfang an die militärische Zuchtanstalt, den Drill, den autoritären Obrigkeitsstaat und was dergleichen Schreckensbilder mehr sind. Eine europäische Perspektive, die Preußens Stärken und Schwächen erst beurteilbar werden ließe, fehlt fast völlig.
Was nicht so recht zum Negativbild paßt, wird einfach daneben gesetzt, ohne daß der Zuschauer sich einen Reim darauf machen kann, warum zum Beispiel so viele Flüchtlinge aus Europa im 18. Jahrhundert ausgerechnet in dieser bösen Staatskaserne ihre Zuflucht suchten. Wie Geist und Macht hier zusammenfanden, wird kaum je zum Problem und zum Gegenstand einer neugierigen Erkundung. Und die großen preußischen Reformen, die den Widerstand gegen die napoleonische Fremdherrschaft vorbereiteten, werden fast ganz verschwiegen. Nur die Militärreform, natürlich, findet Erwähnung. Namen wie die des Freiherrn von Stein, des Fürsten Hardenberg und der Brüder Humboldt fallen hier nicht. Große Männer, die Geschichte und Kulturgeschichte gemacht haben, sind nur erwünscht, wenn sie wie Bismarck zum Bösewicht aufgeblasen werden können.
Je länger die Serie fortschreitet, desto deutlicher wird, wie sehr sie bloß die Fremdheit einer Gegenwart angesichts einer ganz anderen Vergangenheit artikuliert: Die Vorlieben einer trivialisierten Alltags- und Sozialgeschichte, der sentimentale Kult um die "Opfer" der Geschichte und ein ahnungsloser Pazifismus, für den eine auch machtpolitisch bewußte "Realpolitik" des Teufels ist, zeigen Preußen als ein düster umwölktes Monument deutscher Unheilsgeschichte, das die wenigen hellen Einsprengsel der Kulturgeschichte nicht aufhellen können
Dümmeres über die Revolution von 1848 und die deutsche Einheit von 1871 hörte und sah man selbst im Fernsehen selten. Ein Triumph jener medialen Einfalt, die Geschichte als Fundus für Kostümstücke schätzt, aber sich davor hütet, auf ihren Eigensinn sich einzulassen.
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