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Es ist leichter, einen Sack Flöhe zu hüten, als ein Haus voller Kinder, heißt es im Volksmund. Wer diesen Satz erfunden hat, muß eine genervte Mutter gewesen sein, die mindestens drei Töchter hatte … Als der liebe Gott diese besondere Spezies erschuf, muß er ein kleines bißchen verwirrt gewesen sein. Vielleicht hatte er ja auch nur zuviel von seinem selbst geschaffenen Wein gekostet.
Und doch: Töchter sind was Liebes! Sie sind ganz und gar verschieden, doch in einem gleichen sie sich alle: Wenn sie diesen gewissen Ausdruck in den Augen haben, mit dem sie ihren Vater herumkriegen wollen. Schon die Allerkleinsten haben ein feines Gespür für die Schwächen ihrer Eltern.
Manchmal möchte man die verwandtschaftlichen Verhältnisse verleugnen. Zum Beispiel dann, wenn man mit so einem Töchterchen in einem überfüllten Wartezimmer sitzt, und das liebe Kind überdeutlich in das kränkelnde Schweigen ruft: „Mama, guck mal, die Frau hat aber dicke Beine!“
Auch in einem feinen Restaurant mit verbindlich lächelndem Ober kann einem so ein niedliches töchterliches Wesen einen Schock versetzen, indem es strahlend verkündet: „Der Bediener sieht aus wie ein Pinguin!“ (Womit sie durchaus nicht Unrecht hat).
Als mein Mann und ich es uns abgewöhnt hatten, in solchen Augenblicken rote Köpfe zu kriegen, waren die lieben Töchter schon groß. Nun passiert so etwas nicht mehr – halbwüchsige Töchter schießen mit anderen Kanonen auf Spatzen.
Will man diese zottelhaarigen Geschöpfe, die mit ihren langen Armen und Beinen und ihrem Freiheitsdrang nicht wissen wohin, voller Stolz mit einem etwas pingeligen Verwandten zusammenführen, so kann es sein, daß sie zum Schrecken ihrer Eltern ungekämmt und mit den ältesten Jeans angetan, hereingeschlurft kommen und Gummi kauend nur ein uninteressiertes „Hey …“ nuscheln, wobei sie den entsetzten Onkel wenigstens noch charmant anlächeln. Die sogenannte Etikette ist den halbwüchsigen Töchtern von heute egal, Benehmen ist bei ihnen ohnehin Glückssache. Eins muß man ihnen allerdings lassen: Sie sind erfrischend natürlich, dazu grundehrlich. Was wir damals verschämt hinter der vorgehaltenen Hand flüsterten, sagen Teenies heute frei und unverklemmt heraus. Man weiß immer, woran man mit ihnen ist.
Haben sie das heulende Elend, dann werfen sie sämtliche Türen knallhart ins Schloß und sich selbst auf die unaufgeräumte Couch mit den vielen Schmusetierchen. Für die böse Welt sind sie erst einmal gestorben. Dann weiß man als Mutter gleich: Den Rasen mähen sie heute nicht mehr. Dazu sind sie viel zu frustriert. Und morgen schon gar nicht.
Schlimm wird es, wenn die Töchter verliebt sind. Meine, die vorher kaum eine Nudel von einem Kloß unterscheiden konnten, entfalteten plötzlich ungeahnte Kochkünste. Im Nu war mein vorher so gut gefüllter Kühlschrank leer, die Küche dafür voll von Essensresten und schmutzigem Geschirr. Nun brauchten sie auch statt der üblichen zwei T-Shirts und drei Jeans die doppelte Menge Wäsche pro Woche. Bevorzugt wurden jetzt Kleidchen, kurz wie das Oberteil eines Schlafanzugs und außerordentlich schwer zu pflegen.
Das Weltbild mancher Töchter ist in einem gewissen Alter recht kompliziert; ihr Verhältnis zu Männern ist oft gespalten. Spendable Väter gehen gerade noch durch, der kleine Bruder nervt, nur der jeweilige Freund ist okay.
Aber sie haben auch ihr Gutes. Liegt man krank und geschafft im Bett und sie stehen verlegen vor dir, wickeln ein paar verdrückte Blümchen aus, heimlich aus Nachbars Garten gepflückt, und sagen in einem Atem: „Hier, Muschken, damit du ganz schnell wieder gesund wirst – ohne dich ist es irgendwie öde – kannst du uns mal deine beiden neuen Edeljeans leihen – wir haben doch heute Abend diese Fete“, dann reißt es einen vor Rührung vom Linnen und man denkt mit einer Träne im Augenwinkel: „Töchter sind doch was Liebes!“ |
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