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Unerschrockene Männer

 
     
 
Das Wichtigste beim schreibenden Geschäft ist der Papierkorb", soll Hans Lipinsky-Gottersdorf, der oberschlesische Schriftsteller, einmal gesagt haben. So berichtete es zumindest seine inzwischen ebenfalls verstorbene Frau Minne, die 1993 noch den zweiten Band seiner bedeutendsten Arbeit "Prosna-Preußen" zusammengestellt hat. Erschienen ist er im Bergstadtverlag Würzburg, wo auch Band 1 dieses historischen Romans sowie weitere Prosabände des Autors verlegt wurden.

Minne Lipinsky ergänzt in ihrem Vorwort zu den "Prosna-Preussen II": "Er hat nichts zurück-gelassen, was seinem Anspruch an die eigene Prosa nicht genügte." Deshalb sei auch der zweite Band der "Prosna-Preußen" als Epos deutsch-polnischer Geschichte unvollendet geblieben. Lipinskys Texte werden in diesem Zusammenhang als Dokumente für "die Würde der Vergeblichkeit" bezeichnet. Ein großes Wort, ist Hans Lipinsky-Gottersdorf doch dafür bekannt geworden, daß er stets für seine Überzeugungen einstand, ohne Rücksicht auf den Zeitgeist
und auch ohne Rücksicht auf Verluste, womit er sich reichlich Gegner heranbildete.

Sowohl Lipinskys Format als auch seine Widersprüchlichkeit sind jetzt sogar wissenschaftlich bestätigt worden. Professor Wojciech Kunicki, der an der Breslauer Universität Literaturgeschichte lehrt, legte im Neisse-Verlag Dresden eine souveräne und detaillierte Arbeit über Hans Lipinsky-Gottersdorfs Leben und Werk vor, wie sie selten über einen Schriftsteller zu Papier gebracht wurde. Der Autor vermerkt historische Tatsachen nüchtern und klar und attestiert dem Verfasser der "Prosna Preußen": "Lipinsky-Gottersdorf beabsichtigte einen Roman zu schreiben, der die geschichtlichen Ursachen des oberschlesischen Bruderkampfes, fern von jeglicher ideologisierten oder politisch motivierten Rhetorik der Schuld zeigt."

Hans Lipinsky, 1920 in Lesch-nitz am Annaberg geboren, war ein Einzelgänger. Er galt auch seinen Freunden immer als "Landwirt aus dem Osten" mit Vorfahren, die bis ins 16. Jahrhundert nachweisbar sind. 1930 fiel die "Erbscholtisei Gottersdorf" an den Vater des Dichters. Er wurde Soldat an der Ostfront, war mehr als zwei Jahre in Kriegsgefangenschaft und geriet Ende der 1940er nach Köln, wo er als Gleisbauer und Kranführer gearbeitet und später auch seine Frau, eine Kölner Bibliothekarin, kennengelernt hat. Er begann zu schreiben und stellte seine Texte einer breiteren Öffentlichkeit vor. Angesehene Verlage interessierten sich für den Verfasser der "Wanderung im dunklen Wind", von "Finsternis über den Wassern" oder "Wenn es Herbst wird". Lipinsky-Gottersdorf erhielt zahlreiche Preise, hielt Vorträge, lernte viele der damals oft gedruckten Schriftsteller kennen wie Johannes Weidenheim, Günter Bleisch, Johann Christoph Hampe oder Dagmar von Mutius.

Im Schriftstellerleben Lipinskys machten sich aber gleichzeitig auch politische Stürme bemerkbar, die ihn schwer gebeutelt und hin und her geworfen haben, zumal seinem persönlichen Temperament jede Form von Diplomatie fern lag. Er war links, wenn der Zeitgeist nach rechts tendierte, und rechts, wenn der Wind von links blies. Eine böige Wetterlage, welche die Verbreitung seines Werkes kaum unterstützt haben dürfte, zumal er auch in Zeiten der deutschen Teilung unbekümmert Autor des Mitteldeutschen Verlags in Halle gewesen ist. Übrigens erweist sich auch Kunicki als unerschrockener Historiker, der dem Einfluß dieser Turbulenzen auf Lipinskys Arbeit erstmals dezidiert nachgeht. Der Dichter starb 1991. Aber sein Werk lebt, und dazu trägt der polnische Wissenschaftler Wojciech Kunicki, der erst geboren wurde, als die von ihm dokumentierten Meinungs- und Interpretations-Gefechte des Hans Lipinsky begannen
 
     
     
 
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