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William C. Bullitt, amerikanischer Botschafter in Paris, urteilte auf Anfrage von Präsident Roosevelt 1939: "Nahezu jeder im politischen Leben Frankreichs und Englands betrachtet ihn als äußerst selbstsüchtige kleine Person, welche durch ihre billige Schlaumeierei in kleinen Dingen und durch ihren vollständigen Mangel an Weisheit im Großen das Auseinanderfallen ihres Landes zugelassen hat." Die Rede ist von Edvard Benesch, dem einstigen Präsidenten der CSR, der durch seine berüchtigten gleichnamigen Dekrete nicht nur die Austreibung von Millionen Deutschen aus dem Sudetenland befahl, sondern auch Ungarn und Slowaken unter das Prager Joch brachte, das in seiner Konsequenz bis auf den heutigen Tag fortdauert.
Es darf dabei nicht verkannt werden, daß nach dem Zusammenbruch der bolschewistischen Regime auch in Prag Stimmen aufkamen, die zaghaft davon sprachen, bei den Verhandlungen mit Bonn auch eine Art von Rückkehrrecht zu gewähren, das freilich selbst als Ausgangslage von deutscher Seite nie genutzt wurde, nachdem bereits noch während der kommunistischen Ära das Münchner Abkommen einmaliger Vorgang im nachhinein als von Anfang an für null und nichtig gewertet wurde. Vielmehr stand als Ergebnis am Ende nur eine unverbindliche "Versöhnungserklärung", die faktisch den berüchtigten Benesch-Dekreten im nachhinein den Anschein von Anerkennung verschafften.
Wenn nun die Vertreibungsverbrechen erneut zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen werden, so ist dies leider keineswegs das Ergebnis inzwischen gewachsener Einsicht der politisch Mächtigen, vielmehr das Kalkül einer in Wahlzeiten hart bedrängten Schicht, die weiß, daß sie das Ventil am Boiler historischer Wahrheiten nur um ein Kleines zu drehen braucht, um einen dicken Strahl zu bekommen, der das Mühlrad der Wahlmaschinerie in flotte Drehungen versetzt. Doch so wie die Lage ist, muß man hier gleichsam auch noch aus dem morschesten Stück Holz einen Pfeil mit der Hoffnung schnitzen, die verbrecherischen Benesch-Dekrete wenigstens treffen zu können.
Wenn nun schon die politischen Hauptkräfte nicht zuletzt auch angesichts der "ethnischen Säuberungen" auf dem Balkan, die doch eine deutliche Parallele zu den Verbrechen der Vertreiberstaaten Polen, UdSSR und eben jener CSR aufweisen, passiv bleiben, so erweist sich die Haltung des bayerischen evangelischen Landesbischofs Hermann von Loewenich nicht nur als ein übel kalkulierter Tiefschlag gegen politische Ein- und Weitsicht, sondern auch als Hieb gegen mitteleuropäische Gesittung und christlichen Verkündigungsauftrag.
Bei einem offenbar nicht von ungefähr erfolgten Besuch bei der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder hatte von Loewenich auch Blumen in Lidice niedergelegt und dabei behauptet, wie der Evangelische Presse Dienst (epd) meldete, "angesichts dieses von Deutschen verursachten Leids sei es nicht angemessen, Rechtsansprüche zu stellen". Der Bischof stellt damit nicht nur jede völkerrechtliche Regelungsmöglichkeit, die ja nun zumeist mit diffizilen Kriegsfolgen zu tun hat, außer Betracht, sondern er entzieht damit auch der ureigensten Botschaft des Christentums, der Liebe und der Vergebung, jegliches Fundament. Jene unbarmherzige theologische Argumentation beschwört die doch durch Christus überwunden geglaubten "Gespenster des alten Testaments", um sie dem gnadenlosen Räderwerk von fortdauernder Vergeltung zu überantworten. Woraus nährt sich dann eigentlich die Botschaft dieses Bischofs, der als "weltoffener Lutheraner" firmiert und davon schwärmte, die Kirche sei dazu da, vom "Glück eines Lebens mit Gott zu reden"?
Hermann von Loewenich, der laut epd unter Bezug auf die Benesch-Dekrete meinte, die "Folgen, die eine formalrechtliche Veränderung der nach dem Krieg entstandene Gesetzeslage mit sich brächte, seien unabsehbar", favorisiert damit eine Parteinahme, die dem Vertreibungsverbrechen und den Erfordernissen eines Ausgleichsstrebens in keinster Weise entspricht. Die von ihm vorgeschlagene Unumkehrbarkeit ähnelt einem angetretenen Erschießungskommando, dem nach dem Durchladen die Botschaft zukommt, der Delinquent sei unschuldig. Der Kommandeur aber bedauert, es sei zu spät, die Kugeln seien nun ohnehin schon im Lauf. Der Bischof wird wohl in den selbst auferlegten Zwängen seiner Urteilsfähigkeit und seines Auftrags verharren wollen und vielleicht nicht einmal darauf achten, daß er damit dem Epochenauftrag, einem deutsch-slawischen Ausgleich, nur einen Bärendienst erweist. "Feuer frei!"
Im übrigen ignoriert er wohl auch das Wissen der ihm vielleicht genehmeren Amerikaner, die seit längerem davon ausgehen, daß Benesch für mindestens 10 000 US-Dollar gegen Quittung vom NKWD 1938 angeworben und auch mit Hilfe dieses über und über mit Blut besudelten Dienstes nach England übersiedelte.
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