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Die letzten Monate der Regierung Kohl waren wirtschaftspolitisch von Exportrekorden, Preisstabilität und einer eindrucksvollen Trendwende auf dem Arbeitsmarkt in West- und Mitteldeutschland geprägt. Eine Inflationsrate unter einem Prozent und ein Abbau der Arbeitslosigkeit um eine Dreiviertel Million in diesem Jahr keine schlechte Ausgangslage für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einer neuen Regierung, die sich die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit zur Hauptaufgabe gemacht hat.
Daß die vereinbarten Steuerpläne der rotgrünen Koalitionäre nicht gerade unternehmensfreundlich sind und daher kaum Impulse für die Schaffung neuer Arbeitsplätze geben dürften, wirkt angesichts dieser günstigen Ausgangslage wie das Verspielen einer großen Chance. Doch Schröder wäre nicht Schröder, wenn er diese Gefahr nicht einkalkuliert hätte. Ihm ist soviel Realitätssinn zuzutrauen, daß er Koalitionsvertrag hin, Koalitionsvertrag her den Kurs zu korrigieren versuchen wird, wenn nicht die Zahl der Arbeitsplätze, sondern die der Arbeitslosen wieder steigen sollte. Bereits die nächsten Landtagswahlen könnten nämlich die Mehrheitsverhältnissse im Bundesrat ändern.
Doch auch ein mit verfassungsrechtlich abgesicherter Richtlinienkompetenz ausgestatteter Kanzler hat nur beschränkte Macht. Sie reicht zum Beispiel nicht aus, die Tarifparteien zu einer am Gemeinwohl der Nation orientierten Lohnpolitik zu verpflichten. Daher kann auch das groß angekündigte Bündnis für Arbeit nicht mehr sein als eine un- verbindliche Propagandaveranstaltung. Dafür hat übrigens jetzt schon mitten in der Schlußphase der Koalitionsverhandlungen IG-Metall-Chef Klaus Zwickel gesorgt, als er unmißverständlich erklärte, daß Tarifprobleme in dieser Veranstaltung nichts zu suchen hätten. Dabei kann gerade die Lohnpolitik von entscheidender Bedeutung für Arbeitsplatzschaffung und Arbeitsplatzvernichtung sein.
Die moderaten Lohnabschlüsse der letzten Jahre haben im Metallbereich Hunderttausende von Arbeitsplätzen gesichert und allein in diesem Jahr an die 70 000 neue Arbeitsplätze ermöglicht. Zwickels unter dem Kampfruf "Ende der Bescheidenheit" geforderte Lohnerhöhung von 6,5 Prozent für 3,4 Millionen Metaller kann wieder eine negative Trendwende am Arbeitsmarkt bewirken, zumal auch die DGB-Gewerkschaften ÖTV und HBV sowie die Deutsche Angestelltengewerkschaft Zwickel assistieren.
Daß der wie stets verantwortungsbewußte Chemiegewerkschaftsboß Hubertus Schmold da nicht mitmacht und der gegenüber Zwickel ohnmächtige DGB-Vorsitzende Dieter Schulte Zurückhaltung übt, ändert an der Gesamtsituation wenig. Die mächtigsten Gewerkschaften betreiben eine rücksichtslose Interessenpolitik der Arbeitsplatzbesitzenden gegen die Arbeitslosen und fallen damit dem neuen Kanzler in den Rücken. Mit Absicht? Weil er ihnen nicht farbecht rot genug ist? Oder sind sie schlichtweg zu borniert, um zu begreifen, daß überhöhte Lohnabschlüsse forcierte Rationalisierung und damit Arbeitsplatzvernichtung provozieren?
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