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Mehrere Sorten Marmelade

 
     
 
Demokratie bedeutet Vielfalt. Zu ihr gehören Gewerkschaften - starke Gewerkschaften. Eine Arbeitswelt, in der im Zeichen der Globalisierung die Arbeitgeber die unumschränkte Herrschaft aus-üben könnten, wäre undemokratisch und totalitär. Aber wie müssen die Gewerkschaften beschaffen sein, um in einer Demokratie ihren Teil am Wohlergehen des Gemeinwesens beizutragen? Auch hier gilt: Strukturen, die keinerlei Alternativen zulassen, sind undemokratisch und neigen latent zum Totalitarismus. Jürgen Engert hatte das 1989 in einem Fernsehkommentar zur Wendezeit so hübsch ausgedrückt: "Sie wollen auswählen zwischen mehreren Sorten Marmelade genauso wie auch zwischen mehreren Sorten Parteien." Kennzeichen
der untergegangenen DDR mit ihren totalitären Strukturen war aber nicht nur der Einparteienstaat, sondern auch die Monokultur bei den gesellschaftlich relevanten Gruppen. Die Realität in der Bundesrepublik ist davon nicht so weit entfernt. Oft stehen den Mitarbeitern eines Betriebes, die zu einer Betriebsratswahl aufgerufen sind, nur Kandidaten des DGB zur Auswahl. Seitdem die bis dahin unabhängige DAG sich dem DGB angeschlossen hat, wurde diese Situation noch verschärft. Kurioserweise haben die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes noch die größte Auswahl, weil der relativ starke Beamtenbund mit seinen Untergewerkschaften dort stark positioniert ist. Ansonsten gibt es die verschiedenen christlichen Gewerkschaften, die rund 300.000 Mitglieder aufzuweisen haben.

Offenbar ist den meisten Funktionären des DGB im wiedervereinigten Deutschland eine solche Monostruktur ganz recht. Insbesondere die IG Metall versucht immer wieder, sich lästige Konkurrenten vom Hals zu schaffen. Bestenfalls diffamiert man die Konkurrenz, aber es gibt auch Fälle, in denen man gegen die Konkurrenten vorgeht, wenn mit den "normalen" Methoden kein Erfolg zu erzielen ist. Die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) ist vor allem in den neuen Bundesländern recht erfolgreich gewesen. Insbesondere im Tarifwesen haben die christlichen Metaller Erfolge aufzuweisen. Der Tarifvertrag "Bolero" öffnete den Beschäftigten ihrer Unternehmen einen Anteil am Betriebsergebnis. Dies alles gefiel der IG Metall nicht. Mit "normalen", sprich gewerkschaftlichen Methoden war der Konkurrenz nicht beizukommen, so daß nach anderen Wegen gesucht wurde.

Vor einigen Jahren wurde daher von der Industriegewerkschaft Metall ein sogenanntes "Mächtigkeitsverfahren" vor dem Arbeitsgericht Stuttgart angestrengt. Ziel dieses Verfahrens war es, der Christlichen Gewerkschaft Metall die Fähigkeit aberkennen zu lassen, Tarifverträge abzuschließen. So was gibt es nur in Deutschland. Eigentlich gebietet die Vertragsfreiheit, daß jeder Arbeitgeber mit jedem Partner, den er für geeignet hält, auch einen Tarifvertrag abschließen kann. Aber der Deutsche Gewerkschaftsbund, der ohnehin in wichtigen Teilbereichen eine Monopolstellung hat, versucht dort, wo es noch Konkurrenz gibt, diese zu ersticken. Das ist totalitär, undemokratisch und diktatorisch.

Das sogenannte Mächtigkeitsverfahren beruht letztlich darauf, daß ein Konkurrent (und das ist in solchen Verfahren regelmäßig eine DGB-Gewerkschaft) behauptet, daß die gegnerische Gewerkschaft zu klein sei, um zu streiken oder dem Arbeitgeber sonst "Streß" zu machen. Wenn man diesem Gedankenmuster folgt, dann ist von heute bis in alle Ewigkeit der DGB die einzige zugelassene Gewerkschaft in Deutschland. Solche Verhältnisse hatten wir schon mal in diesem Lande. Nein, nicht, was Sie jetzt denken, vor 60 Jahren unter den Nazis - in der guten alten DDR gab es den sogenannten Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, der alles für die Werktätigen "aushandelte" und omni- potent war.

1996 machte die IG Metall dann Ernst und reichte beim Arbeitsgericht Stuttgart Klage auf Aberkennung der Gewerkschaftseigenschaft gegen die lästige kleine Konkurrenz ein. So unabhängig, wie der unbefangene Zeitgenosse vielleicht glauben könnte, war der vorsitzende Richter Wolf Klimpe-Auerbach aber nicht. Der ist Mitglied der mit der IG Metall verbundenen Gewerkschaft ver.di. Vielleicht hat die CG Metall hier tatsächlich den einzigen ernsthaften prozessualen Fehler begangen, denn ihr Anwalt versäumte es, sofort nach Bekanntwerden dieses Sachverhaltes einen Befangenheitsantrag zu stellen. Dies geschah erst im Jahr 2002 und wurde von Richter Klimpe-Auerbach unter Verweis darauf abgelehnt, man habe dies nicht gleich nach Bekanntwerden beanstandet.

Im Laufe des Prozesses verlangte Richter Klimpe-Auerbach die Herausgabe von Mitgliederlisten, um überprüfen zu können, ob die Mitglie- derzahl 100.000, wie von der CG-Metall behauptet, oder "nur" 50.000, wie von der IG Metall gemutmaßt, betrage. Nach längerem Hin und Her gewährte die CGM schließlich die verlangte Einsicht. Das Ergebnis: die christlichen Gewerkschafter zählen tatsächlich 97.000 Mitglieder. Dies hielt Richter Klimpe-Auerbach jedoch nicht davon ab, am 12. September in erster Instanz der CGM die Gewerkschaftseigenschaft abzuerkennen.

IG-Metall-Chef Peters, dessen Organisation in den neuen Bundesländern vor einigen Monaten einen eindrucks-vollen Beweis der fehlenden Mäch-tigkeit seiner Organisation bei einem fehlgeschlagenen Streik erbracht hatte, versucht nun mit Presseerklärungen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuschüchtern. Die abgeschlossenen Tarifverträge seien ungültig. Dies erklärte Peters, obwohl er ganz genau weiß, daß ein Urteil bekanntermaßen erst dann rechtswirksam wird, wenn dagegen kein Rechtsmittel eingelegt worden ist. In diesen Tagen haben die Arbeitgeber wieder mal einen neuen Tarifvertrag mit der IG Metall unterschrieben. Es wurde nicht gestreikt. Zwar wird niemand bezweifeln, daß die IG Metall in einigen westdeutschen Großbetrieben streikfähig ist, aber in den neuen Bundesländern ist sie das nicht. Das hat sie unlängst unter Beweis gestellt, als sie vergeblich versuchte, die Lohnangleichung zwischen Ost und West im Metallbereich gegen den Willen der Arbeitgeber durchzusetzen. Damit hat sie selbst den Beweis der nicht vorhandenen sogenannten Mächtigkeit in den neuen Ländern erbracht. Genau derselbe Sachverhalt also, den die IG Metall dem kleineren Konkurrenten CG Metall vorwirft. Dabei ist der Koloß DGB am Ende - seine Einzelgewerkschaften auch. Scharenweise treten Mitglie-der aus, und es stellt sich dort ernsthaft die sonst gern diskutierte Frage nach der Mächtigkeit.

Ob eine höhere Instanz das Urteil von Richter Klimpe-Auerbach bestätigen wird, ist eher fraglich. Viele

sagen ohnehin, es sei ein Gefälligkeitsspruch. Sicherlich wird die CGM nicht nochmals blauäugig auf die Redlichkeit und Unabhängigkeit eines im DGB beheimateten Richters vertrauen. Aber der eigentliche Skandal ist doch, daß hier ein Stück Demokratie abgeschafft werden soll. All die heuchelnden Medien, die sich über scheinbare Diskriminierungen, Gewalttaten, Propagandadelikte und andere Einzelsachverhalte bis zur scheinbaren Atemnot erregen können, schauen hier nur kurz auf - und grasen dann gemütlich weiter ...

 
     
     
 
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