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Unspektakulärer könnte eine Nachricht kaum beginnen: Seit wenigen Tagen befinden wir uns im Jahr 1 nach dem symbolträchtigen „60 Jahre danach“. Also im 61. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Keine „runde“ Jahreszahl, kein besonderes Jubiläum, kein Anlaß zu feierlichem Gedenken. Die Menschen, denen jene Ereignisse vor 61 Jahren zum persönlichen Schicksal gerieten, befürchten nicht ohne Grund, bis zum 65. oder 70. Gedenkjahr wieder der öffentlichen Wahrnehmung entzogen zu werden. Oder, schlimmer noch, wie gehabt bei Verklemmungen in den Beziehungen zu (ost-)europäischen Nachbarn als Buhmann und Störenfried herhalten zu müssen.

Die Rede ist hier nicht nur von den Vertriebenen und ihren Nachkommen, sondern von allen, die sich mit einseitiger Geschichts
klitterung nicht abfinden wollen. Sicher, 2005 gab es nicht nur Schwarzweißmalerei, sondern auch Zwischentöne. Bis hoch in die politische Klasse schien sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß die Deutschen in ihrer jüngeren Geschichte nicht nur Täter, sondern auch Opfer waren. Ein Fortschritt, aber nur ein sehr kleiner. Denn sofort kam die „politisch korrekte“ Einschränkung: Wenn die Deutschen Opfer wurden, dann doch nur, weil sie zuvor Täter waren! So infam kann Geschichtsideologie sein ...

Dennoch können wir bescheidene Hoffnungen hegen, daß im Jahre 2006 doch nicht alle behutsamen Ansätze einer wahrheitsgemäßen Aufarbeitung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs hinweggewischt werden. Die politische Großwetterlage in Europa eröffnet zumindest die Chance dazu. Gradmesser dafür ist die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen. Und insbesondere das Streitthema „Zentrum gegen Vertreibungen“. Hier wurde von deutscher Seite gute Vorarbeit geleistet; das ist, über politische und finanzielle Aspekte hinaus, vor allem das Verdienst des BdV und der Freundeskreisen, die unter dem Motto „Im Dialog der Heimat dienen“ bemüht sind, irrationale Ängste abzubauen. Jetzt ist die andere Seite am Zug.

Nach den scharfen Tönen, die in den vergangenen Monaten speziell aus Warschau zu vernehmen waren, rudern die dortigen, neugewählten Machthaber nun erkennbar zurück. Das mag damit zusammenhängen, daß in Polen wie in Deutschland die Wahlkämpfe vorüber sind, und wohl auch damit, daß Berlin es Warschau auf EU-Ebene etwas schwerer macht, die Linie verbaler Feindseligkeit beizubehalten (wenn auch um einen hohen Preis!). Vielleicht ist es aber auch der „stete Tropfen“ einer gesunden Mischung aus Grundsatztreue, historischer Wahrhaftigkeit und Verständigungsbereitschaft, der die Betonköpfe polnischer Nationalisten und deutscher Internationalisten allmählich höhlt.

Gerade weil 2006 ein Jahr ohne spektakuläre Gedenkfeiern ist, kann man hüben wie drüben dem Ziel etwas näher kommen: Die einen müssen lernen, daß ihre Geschichte auch dunkle Flecken hat, die anderen, daß ihre Geschichte nicht nur aus dunklen Flecken besteht. Auf diesem Weg kann man aber nur vorankommen, wenn die deutsche Seite, nicht zuletzt also auch die Bundesregierung, beharrlich und mit langem Atem darauf hinwirkt, daß die historische Wahrheit dabei nicht auf der Strecke bleibt. Wachsamkeit ist geboten.
 
     
     
 
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