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Vertriebene ohne Stellenwert

 
     
 
Mit 18 Millionen Einwohnern ist Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Land der Bundesrepublik Deutschland. Ein wirtschaftlich bedeutendes Kernland, das nach 1945 Millionen Vertriebene aus den Ostgebieten aufgenommen hat. Auch von den Rußlanddeutschen kommen Jahr für Jahr über 20 Prozent hierher.

Man könnte erwarten, daß NRW bei der Eingliederung auch die Kultur dieser Menschen großzügig fördert. Dies war auch bis in die 60er Jahre
hinein der Fall, eine Reihe von Kultureinrichtungen wie zum Beispiel die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus, die Martin-Opitz-Bücherei in Herne oder das Museum Haus Königsberg zeugen davon. Dann ging es jedoch nach dem Streit um die Ostverträge, die Anerkennungspolitik der Regierung Brandt usw. spürbar bergab. Obwohl immer mehr Deutsche aus dem Osten zuzogen, wurde die Landesförderung der Vertriebenen, ihrer Verbände und Einrichtungen immer geringer, so daß heute nur noch ein kärglicher Förderbetrag von 3,59 Millionen im Jahr übriggeblieben ist.

Dieser Substanzverlust war in der jüngsten Haushaltsdebatte im Dezember vergangenen Jahres Anlaß für harte Kritik der CDU-Opposition durch den aus Ostdeutschland stammenden Abgeordneten Georg Gregull, der auf weitere Kürzungen, die schleichende Verarmung und die Blockierung der grenz-überschreitenden Kulturarbeit hinwies. Darauf gab es von der SPD und den Grünen nur die lapidare Antwort: "Das reicht aus", und von der verantwortlichen Ministerin Ilse Brusis: "Wir müssen uns einschränken." Auf den Hinweis des Abgeordneten Goldmann, daß die Pläne der Bundesregierung eine weitere Gefährdung, ja die Zerstörung von ostdeutschen Kultureinrichtungen beinhalten und daß die Mittel nicht ausreichen, wurde er von einer Wup- pertaler SPD-Abgeordneten als "Obervertriebener" tituliert.

NRW konnte wegen des geringeren Zuzuges von Aussiedlern die Mittel für Übergangsheime von 200 Millionen im Jahr 1995 auf 54 Millionen Mark für das Jahr 2000 verringern. Wäre da nicht etwas für die Kultur übrig gewesen? Wo bleiben die von Vertriebenen und Aussiedlern gezahlten Steuern? Wenigstens ein Teil sollte doch für ihre eigene Kultur zurückkommen. Für die Kultur in NRW stehen insgesamt rund 300 Millionen Mark pro Jahr zur Verfügung, der Anteil für die ostdeutsche Kultur beträgt davon nur 0,8 Prozent.

Auch die genannte Haushaltsdebatte im Düsseldorfer Glaspalast hat wieder einmal gezeigt: Deutsche Identität, zu der die ostdeutsche Kultur einen erheblichen Beitrag leistet, ist bei der Regierung Clement/Höhn ohne Stellenwert. Die Vertriebenen sind die Stiefkinder dieses Landes, ja der deutschen Nation. Ihres angestammten Besitzes und Landes beraubt, bleiben sie auf den guten Willen, die Einsicht und die Almosen der "Westdeutschen" angewiesen.
Max Pernstein

 
     
     
 
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