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In der Ausgabe der Kaliningradskaja Prawda vom 7. des letzten Monats wurde umfangreich über die Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag der Eroberung Königsbergs durch die Rote Armee berichtet . Gleich neben einem Bericht über das Kriegsspiel, mit dem russische Soldaten die Erstürmung des Königsberger Forts Nummer V noch einmal inszenierten, stand eine Anzeige, die den Lesern die heutigen Probleme in den deutsch-russischen Beziehungen mit den folgenden Worten klarmacht:
"Das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Kaliningrad teilt mit:
Alle Einwohner der Kaliningrader Oblast (mit Anmeldebestätigung im Ausweis), die ein Visum zum Besuch der Bundesrepublik Deutschland erhalten möchten, müssen ab sofort den Antrag auf Ausstellung eines Visums persönlich in der Botschaft Deutschlands in Moskau einreichen unter der Adresse: 119313 Moskau, Leninskij Prospekt 95a ... Die Anträge, den Paß und die Dokumente bei anderen Organisationen einzureichen, ist nicht mehr möglich.
Sobald das Generalkonsulat Deutschlands von der Regierung der Russischen Föderation die Erlaubnis zur Unterbringung in einem geeigneten Gebäude erhält, wird es beginnen, die Vorkehrungen für eine Visumerteilung zu treffen."
Zum 200. Todestag Immanuel Kants hatte Bundesaußenminister Josef Fischer letztes Jahr für wenige Stunden Königsberg besucht und dort offiziell das erste deutsche Generalkonsulat eröffnet. Polen, Litauen, Dänemark, Schweden, Weißrußland, Griechenland und Kroatien hatten zu diesem Zeitpunkt schon Konsulate eingerichtet. Deutschland hielt sich zurück; man wollte unter allen Umständen nicht den Eindruck erwecken, Deutschland verfolge in Königsberg deutsche Interessen. Am 12. Februar 2004 war es dann jedoch endlich soweit. Minister Fischer führte den neuen deutschen Generalkonsul Dr. Cornelius Sommer in sein Amt ein. Dann flog er weiter nach Moskau, wo er einen der besten Freunde seines Kanzlers besuchte, Präsident Wladimir Putin.
Generalkonsul Dr. Sommer wohnt seitdem in drei Zimmern des Universitäts-Gästehauses Albertina und sucht nach einem geeigneten Gebäude für das Generalkonsulat. Bis heute, mehr als 14 Monate nach seiner Amtseinführung, hat er noch keins gefunden. Er schlug in dieser Zeit mehrere geeignete Gebäude vor, doch die russische Seite lehnte seine Vorschläge immer ab. Die Anzeige in der Kaliningradskaja Prawda stellt den unverhüllten Versuch dar, die russische Seite endlich zum Handeln zu bewegen. Kenner der Königsberger Politik sagen: Es liegt nicht an den Königsberger Behörden, daß sich kein geeignetes Gebäude für das deutsche Generalkonsulat finden läßt. Es liegt an Moskau.
Wissen die beiden Freunde Putin und Schröder, was sich in der Exklave Königsberg abspielt? Weiß es Bundesaußenminister Fischer, oder betrachten seine Untergebenen den Vorgang als zu unbedeutend, um ihn als den Chef des deutschen Außenamtes darüber zu informieren?
Für die einfachen Menschen in Königsberg ist die Anordnung des Generalkonsuls eine Katastrophe. In den vergangenen Jahren konnten sie ihre Anträge auf ein bundesdeutsches Visum in der Königsberger Vertretung der Hamburger Handelskammer abgeben, die sie an die Deutsche Botschaft in Moskau schickte. Nach etwa 40 Tagen konnten sie sich das Visum dann in der Vertretung der Hamburger Handelskammer wieder abholen. Nun müssen sie selbst nach Moskau fahren und dort vielleicht Tage verbringen, bevor sie ein Visum für die Bundesrepublik Deutschland erhalten. Die meisten können sich das nicht leisten.
Seit dem 1. Mai letzten Jahres ist das Königsberger Gebiet eine Insel in der Europäischen Union, die von den EU-Staaten Polen und Litauen umgeben ist. Angesichts der guten Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland und der persönlichen Freundschaft zwischen Kanzler Schröder und Präsident Putin wäre zu erwarten gewesen, daß beide Seiten eine Lösung der daraus entstehenden Fragen finden würden, die im Interesse beider Seiten liegt und der Bevölkerung nützt. Das Gegenteil ist der Fall.
Die Königsberger Gebietsduma hat vor kurzem einstimmig einen Vorschlag an die russische Staatsduma beschlossen, allen EU-Bürgern eine visumfreie Einreise in das Gebiet und einen Aufenthalt dort bis zu 90 Tagen zu gewähren. Im Gegenzug müßten alle Bewohner des Gebiets die Möglichkeit haben, vor Ort ein Schengen-Visum für die Einreise in die EU zu erhalten. Wie in der April-Ausgabe des Königsberger Express berichtet wird, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Gebietsduma, Sergej Koslow, kürzlich auf einer Pressekonferenz: "Für die Region kommt nur die Annäherung an die Europäische Union in Frage." Dafür müsse man der Region allerdings den Status eines "russischen Auslandsterritoriums" verleihen.
Dagegen gibt es Widerstände in Moskau. Darüber müßte verhandelt werden. Spricht der Bundeskanzler mit seinem Freund Putin über dieses Thema, das für Deutschland, Rußland und ganz Europa von so großer Bedeutung ist? Entwickelt der Außenminister ein politisches Konzept, um diese Frage zu lösen? Oder begnügt er sich mit dem Fototermin bei seinem Besuch in Königsberg am 12. Februar letzten Jahres und kümmert sich nicht um die Folgen?
Die Anzeige in der Kaliningradskaja Prawda sieht nicht danach aus, als sprächen beide Seiten miteinander. Politik per Zeitungsanzeige - das wirkt so, als wisse man nicht weiter. Der richtige Weg liegt jedoch klar vor Augen. Die russische und die deutsche Regierung haben hier die Gelegenheit zu tun, was sie immer wieder zu tun behaupten: im Interesse der Menschen zu handeln. Gerfried Horst |
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