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Zugegeben, so ganz kann ich mir die Schadenfreude nicht verkneifen: Nun hat es diesen arroganten "Kollegen" also endlich auch erwischt! Irgendwann wird eben jeder von seiner Vergangenheit eingeholt.
Die Gedanken schweifen zurück. Über dreißig Jahre ist es nun her, ich war als junger Redakteur des Kölner Stadt-Anzeigers einem angeblichen Skandal bei Dynamit Nobel in Troisdorf bei Bonn auf der Spur. Doch dann stellte sich heraus, daß es sich bei den mir zugetragenen "Informationen" um Material handelte, das direkt von der DKP stammte - die wiederum mit Millionenbeträgen vom SED-Regime in Ost-Berlin finanziert wurde. Ich ließ die Finger von der unseriösen "Story" - und wurde darum auf höchst rüpelhafte Weise von zwei "Kollegen" attackiert, die sich die kommunistische Lesart mit verdächtigem Eifer zu eigen machten. Die leider unvermeidliche rechtliche Auseinandersetzung endete zu meinen Gunsten. Einer der beiden "Kollegen" hieß Günter Wallraff.
Gut ein Jahrzehnt später hatte ich wieder einmal mit diesem feinen "Kollegen" zu tun. Wallraff machte Kasse mit seinem Buch "Ganz unten"; als "Ali" hatte er sich in jenen Teil der bundesdeutschen Gesellschaft eingeschlichen, den er zuvor als "rassistisch" und "faschistoid" ausgemacht haben wollte. Recherchen ergaben: Großenteils waren die von Wallraff enthüllten Skandale von ihm selbst inszeniert, waren Aussagen und Fotos manipuliert und gefälscht. Meine Schlagzeile damals im Deutschland-Magazin: Der getürkte Türke. Zu einer rechtlichen Auseinandersetzung kam es diesmal nicht, lediglich zur Androhung "juristischer Schritte".
Immer wieder gab es Belege dafür, daß Wallraff erstens seine Recherchen stets so anlegte, daß am Ende die vorher festgelegten Ergebnisse herauskamen, und daß er zweitens mit subversiven Methoden arbeitete, die ansonsten nur in Geheimdienstkreisen zur Anwendung kommen. Dennoch schaffte er es, sich zum Vorbild ganzer Generationen von sogenannten investigativen Journalisten hochzustilisieren - Wallraff der Enthüller, der mutige, unbestechliche "Rächer der Enterbten", der einsame Vorkämpfer für eine bessere Welt, der Saubermann in einer finsteren Bananenrepublik namens Deutschland. Der Heiligenschein gehört zu den wenigen Attributen, die ihm noch nicht angetragen wurden.
Und nun steht der große Enthüller selbst enthüllt da: als mieser kleiner Zuträger des kommunistischen Unterdrückungs- systems in der DDR. Er, der jahrzehntelang gut von dem Nimbus lebte, daß ihm kein Geheimnis verborgen bleibe, will jahrzehntelang nicht gewußt haben, wer ihm "Enthüllungsmaterial" zuschob - und was damit beabsichtigt war. Er wußte nicht, daß er "IM Wagner" war. Und er weiß wohl auch bis heute nicht, wie es zu erklären ist, daß er es zwischen 1966 und 1989 auf 33 mehr oder minder erfolgreiche Buchveröffentlichungen brachte; dann aber, nach dem jähen Ende von DDR und Stasi, kam nur noch ein einziges Buch, eine Sammlung früherer Reportagen. Hat ihm plötzlich niemand mehr die Feder geführt? Da steht er nun, der enthüllte Enthüller, als Erfüllungsgehilfe der zweiten deutschen Diktatur. Und zum "Helden" dieses jüngsten Kapitels von "Honeckers willige Helfer" paßt am besten der Titel des erfolgreichsten Wallraff-Buchs: "Ganz unten".
So wird aus dem Heiligenschein ein Scheinheiliger. |
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