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Der Schwede Per Landin will in seinem als Quellensammlung verstandenen Buch "Das verschwundene Schloß" "einen Punkt auf der Landkarte nehmen und diesem Punkt bis in die Gegenwart folgen". Das alte Königsberger Stadtschloß ist für den Autor der Beginn einer dokumentarischen Reise, die vom Heimwehtourismus ausgeht und kollektive Erinnerungen an eine besondere Landschaft freisetzt, die andernorts allzu leichtfertig als vergangen betrachtet wird. In poetischer und doch sachlicher Sprache reflektiert der Autor Historisches, gibt Anekdoten genauso preis wie seine Empfindungen im schmerzvollen Augenblick der Begegnung mit der Heimat seiner Eltern. Neugierig und sensibel gegenüber dem Leid der Generation, die Krieg und Vertreibung erleben mußte, nähert er sich dem heutigen Ostdeutschland an, ohne das alte zu vergessen. Der kenntnisreiche, historisch sensible Schwede Landin ermöglicht dem Leser einen unverstellten Blick aus der Augenzeugenperspektive und sucht bewußt die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit ohne einseitig verklärende Rückschau. Vor Ort begibt er sich auf Spurensuche: "Aber es mußte jemanden geben, der zurückgeblieben war und berichten konnte. Ich suchte Menschen, einen Augenzeugen, dessen Biographie die Kluft zwischen all den älteren Deutschen im Hotel, die Königsberg nur als Kinder kannten - und all den Russen, die ohne Kenntnis der Geschichte der Stadt im heutigen Kaliningrad leben, überbrücken konnte ... Er hieß Jonas Gudovas. Als ich in seiner Wohnung saß, bekam ich eine Geschichte zu hören, die so phantastisch und unsentimental war, wie es nur die Wirklichkeit sein kann." Der 1956 geborene Schriftsteller Landin präsentiert diese und andere spannende und selten gehörte Einzelberichte und fügt sie zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Die Puzzlesteine seines dramatischen Annäherungswerkes fügen sich zu einem gelungenen Bild, ermöglichen kein gelangweilt kaltes Zuschauen. Sie wecken umso mehr die Schaulust an dem, was ist und sein könnte.
Die persönliche Note seines Erzählstils verstärkt diesen Effekt. Landin zeichnet das Schicksal der Teilnehmer am Widerstand gegen Hitler auf familiäre Art nach und bewahrt so nicht nur den Ruf des ostdeutschen Adels, sondern auch ein Stück Wahrheit und Aufrichtigkeit heute oft marginalisierter deutscher Lebensgeschichte(n). Ausschweifend wird er nie, konzentriert sich vielmehr auf das Wesentliche. Wegen seiner thematischen Vielfalt und den prägnanten, sauber recherchierten Informationen eignet sich das Werk hervorragend als unvoreingenommene Einführung in das Schicksal Ostdeutschlands, seine Vergangenheit und Gegenwart. Zahlreiche Abbildungen und der von Schweden inspirierte Blick auf den Ostseeraum als Einheit verleihen dem Buch zusätzliche Reize.
Per Landin: "Das verschwundene Schloß. Ein Schwede auf Spurensuche im ehemaligen Ostdeutschland", Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt Main 2004, 227 Seiten, 29,80 Euro
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