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Lange Zeit wie ein Aschenbrödel in den Hintergrund gedrängt, legte im Jahr 1817 der Sohn eines Hofinstrumentenmachers, Franz Xaver Gabelsberger, die Grundlage zur deutschen Stenografie oder Schnellschrift, wie damals genannt.
Als im Jahr 1819 die bayerischen Landstände einberufen waren, wies Gabelsberger bereits seine Erfindung im öffentlichen Dienst vor. Schon in der zweiten Sitzungsperiode 1822 sowie in den Landtagen von 1825 und 1828 bekam er die Erlaubnis, seine sogenannte "Stenografie" mit seinem Schüler, dem Registraturgehilfen Zeiler, auszuüben. Erst am 24. November 1827 - also zehn Jahre nach der Erfindung - fand dann jene für die Geschichte der Stenografie so denkwürdige Kammersitzung statt, in der beschlossen wurde, die Staatsregierung aufzufordern, für die Ausbildung von wenigstens acht Stenografen und einer entsprechenden Zahl von Schülern oder Ersatzmännern geeignete Vorsorge zu treffen.
Aber der Forscherdrang Gabelsbergers gab sich mit dem Erreichten nicht zufrieden. Mit unermüdlichem Fleiß rang er mit seiner Idee, seine Erfindung zu vervollkommnen. So wies denn König Ludwig I. von Bayern seinem "Geschwindschreiber", wie er es nannte, eine sogenannte Remuneration von 500 Gulden zu, mit der Eröffnung und Fortsetzung des spätestens am 1. Oktober 1828 zu beginnenden Unterrichts. Bei einer späteren "Gebrauchbarkeit" der neuen Erfindung sollten jeweils weitere Guldensegen kommen. So war es denn für Gabelsberger die Krönung seiner Erfindung, daß im Jahr 1834 seine "Anleitung zur deutschen Redezeichenkunst" erscheinen konnte, seinem "Vaterland Bayern" gewidmet. Und schon 1843 ließ er unter dem Titel "Neue Vervollkommnung in der deutschen Redezeichenkunst oder Stenografie" eine weitere Schrift folgen. Nunmehr entsprach seine Erfindung den höchsten Anforderungen, so auch in den Parlamenten, Hörsälen und Büros.
Mit seinem System hatte Gabelsberger völlig neue Wege beschritten: Sein Kürzungsverfahren oder seine "Kürzel" knüpfte er an die Erfindung des von Cicero freigelassenen römischen Sklaven Tiro an - die im Altertum weit verbreiteten "Tironischen Schriften" sind Beweis dafür. Doch Gabelsberger verwandte an Stelle der einst üblichen geometrischen Linien verbindungsfähige, den Lauten der Sprache angepaßte Züge. Er bildete seine Schrift aus Teilen der Kurrentschreibung und führte zum ersten Mal symbolische Vokalzeichen, Wortbildungen, Wort- und Satzkürzungen ein. Mit diesen außerordentlich erleichternden Fortschritten hatte er alle früheren Systeme griechischen, römischen, englischen, französischen oder deutschen Ursprungs überholt. Damit wurde der edle Streiter Gabelsberger der eigentliche Schöpfer der praktischen und in aller Welt ausgeübten Stenografie. Außer seinem Schüler Stolze, ihm wegen der Vereinfachung später vorgezogen , war es keinem Nachfolger möglich, sich nach ihm zu behaupten.
Im In- und Ausland, überhaupt im Handel und Wandel, war seine Kurzschrift eine unentbehrliche Notwendigkeit geworden. Mit der Bearbeitung einer neuen Auflage seines Buches beschäftigt, unermüdlich wie seit eh und je, überraschte ihn völlig unerwartet am 4. Januar 1849 der Tod. |
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