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Der deutsche Föderalismus hat kein gutes Jahr: Überlegten auch früher schon Zehntausende von Wählern, ob sie beim Ausfüllen ihres Stimmzettels wirklich nur an die Landtags- oder Gemeinderatskandidaten denken sollten oder nicht auch an die hohe Bundespolitik diesmal überlagerten bundespolitische Überlegungen wie nie zuvor die Landtagswahlen in Niedersachsen und die Kommunalwahlen im nördlichsten Bundesland. In Schleswig-Holstein bekannten fast fünfzig Prozent aller nach dem Urnengang befragten Wähler ganz offen, daß sie am 22. März an den 27. September gedacht hätten.
In Niedersachsen gerieten die Landtagswahlen zu einem Plebiszit über den Herausforderer des Bundeskanzlers. Viele Stimmen für die SPD (auch solche aus dem CDU-Lager) galten Gerhard Schröder und nicht seiner Partei. Sie waren zugleich eine klare Absage an Oskar Lafontaine. In Schleswig-Holstein hatten die Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag den Charakter eines Strafgerichts über die Politik der Bündnisgrünen im Land und im Bund und weit weniger über die Kärrnerarbeit ihrer Vertreter in den Kreis-, Stadt- oder Gemeindeparlamenten.
Schröder hat dies mit sicherem Gespür erkannt und seinen jubelnden Genossen, die ihre Stimmengewinne im Land zwischen den Meeren allüberall feierten, gleichsam eine kalte Dusche verpaßt, als er die Grünen unverhohlen als Risiko für den im September angestrebten Regierungswechsel bezeichnete.
In der Tat: Die Stimmenzuwächse der SPD haben die Verluste der Grünen bei weitem nicht wettgemacht. So steht in der Kieler Schlußbilanz das rotgrüne Bündnis als Verlierer da, wohingegen CDU und FDP nach ihren Stimmengewinnen mit Berechtigung von einer sich abzeichnenden Trendwende sprechen können.
Die Grünen haben in letzter Zeit den Bürgern so viel Haarsträubendes zugemutet, daß ihre sächsischen Spitzenleute bereits verzweifelt ihre Bonner Truppe anflehen, endlich auf den Teppich zurückzukehren, da sonst im Herbst sogar der Wiedereinzug in den Bundestag gefährdet sei. Auch wenn es für die Öko-Partei so schlimm wie 1990 nicht kommen dürfte, so hat die linke "taz" nicht unrecht, wenn sie ironisch titelt "Grüne kämpfen tapfer gegen jede Stimme".
Der grünrote Dauerkrach in Düsseldorf, die politischen Sabotageversuche gegen den wirtschaftspolitisch für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern lebenswichtigen Ausbau der Ostseeautobahn, die Absage an Nato und Bundeswehr, die Solidarisierung mit den von zahllosen Rechtsbrüchen begleiteten Anti-Castor-Demonstrationen, die angestrebte Erhöhung der Benzinsteuer auf einen Literpreis von fünf Mark und schließlich die Aufforderung an die Deutschen, gefälligst nur noch alle fünf Jahre eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug zu unternehmen dem Wähler dämmerts, daß die Grünen noch immer keine regierungsfähige Partei, sondern eine schrägbunte Sektierergruppe am Rande der politischen Vernunft sind.
Und mit einem solchen Bündnispartner soll die SPD den Kanzler aufs Altenteil schicken? Mit mir nicht, wenn die Grünen so weitermachen, hat Schröder bereits verlauten lassen. Mit wem dann aber? Und Kohl, dem die deutsche Journaille und bekannte Meinungsforscher seit langem -und erst recht seit der Niedersachsenwahl das politische Ende für den 27. September weissagen? Er gewinnt in den Bündnisgrünen eine schier unschlagbare Wahlkampftruppe gegenüber der sich sein Hauptwahlkämpfer, der CDU-Generalsekretär Pastor Peter Hintze, wie ein einfallsloser Laienschauspieler ausmacht.
Nein, seit der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein ist die Partie wieder offen. Nach der unfreiwilligen Wahlkampfhilfe der Grünen für die Koalition liegt es nun am Kanzler, an der Union und natürlich auch an den wieder einmal Wackelerscheinungen zeigenden Freien Demokraten , sich den Wählern als ein stabiles Bündnis zu präsentieren, dem man wegen seiner innenpolitischen, wirtschaftspolitischen und außenpolitischen Seriosität Vertrauen entgegenbringen kann. Einige starke Wort nach Brüssel reichen da ebensowenig aus wie Kanzler- und Ministerreden auf Veranstaltungen von Vertriebenen und Aussiedlern.
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