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Ein Vollblutpolitiker, wie er selten anzutreffen ist, hat zur Feder gegriffen. Hermann Scheer, Bundestagsabgeordneter und Energieexperte der SPD, Träger des alternativen Nobelpreises, gehört selbst zu jener oft gescholtenen Gruppe, die er unter die Lupe nimmt.
Scheer konstatiert einen "tiefgreifenden Prozeß der Entdemokratisierung", der die gewaltenteilige Demokratie in Frage stelle. Die historisch beispiellose Globalisierung dränge Parlamente und Parteien ins Abseits. Fälschlich hätten viele das ruhmlose Ende des Ostblocks als Sieg der kapitalistischen Laissez-faire-Idee interpretiert. Die neoliberale Doktrin, auch "Washington-Konsens" genannt, sterilisiere die gewählten Mandatsträger "bis zur politischen Impotenz".
Verschlimmert werde die Lage durch den gemeinsamen europäi-schen Markt, der einen ruinösen Verdrängungswettbewerb entfessle, dem vorrangig der deutsche Mittelstand zum Opfer falle. Der "Binnenmarktabsolutismus der EU-Kommission" ignoriere die Verfassungen der Mitgliedstaaten. Filzartig seien die Regierungen der EU-Länder mit der Brüsseler Bürokratie vernetzt. Akzeptiere die SPD den Primat der Ökonomie, so nehme sie in Kauf, daß der "Marktstaat" breite Schichten in die Verelendung stürze. "Welt- und wirklichkeitsfremd" sei der "fundamentalistische" Wirtschaftsliberalismus unserer Tage.
Neu sind alle diese Thesen nicht. Einerseits hält Scheer die Globalisierung für notwendig, betont jedoch gleichzeitig, daß eine Weltregierung nicht demokratisch funktionieren könne. Was aber dann? Den Leser macht das ratlos.
Scheer fordert "politische Gedankenfreiheit" und will "große Schritte" gehen, sofern diese "problemnah und überzeugend konzipiert" seien. An die Stelle opportunistischer Machtpolitiker müsse der "idealistische Realist" treten. Dem wird prinzipiell jeder zustimmen; nur bleibt diese luftige Schablone ohne realen Inhalt.
Die von Scheer postulierten Alternativen sind zu konkretisieren. Immerhin erkennt Scheer wichtige Probleme und will ausgetretene Pfade verlassen. Rolf Helfert
Hermann Scheer: "Die Politiker", Verlag Antje Kunstmann, München 2003, 286 Seiten, 19,90 Euro
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