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Wer trägt die Verantwortung für den Ausschluß der Apostolischen Visitatoren von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz? Die Entscheidung hat unter den Überlebenden der Vertreibung aber beileibe nicht nur dort erhebliche Empörung ausgeslöst. Mit der faktischen Entmachtung der Visitatoren mache sich die Katholische Kirche zum späten Vollstrecker furchtbaren Unrechts, so war zu hören. Aufgeschreckt von soviel Betroffenheit beeilten sich die deutschen Bischöfe festzustellen, daß die tragische Entscheidung nicht von ihnen ausgegangen sei. Rom habe so entschieden, da könne man nichts machen. Die Gläubigen mochten an dieser Darlegung nicht zweifeln. Die Lage schien zu eindeutig.
Plötzlich jedoch kommen Zweifel auf an den Behauptungen der deutschen Bischöfe. Ein Skandal erster Ordnung kündigt sich an.
Bereits am 6. August 1998 veröffentlichte die katholische Zeitung "Deutsche Tagespost" (seit kurzem umbenannt in "Die Tagespost") eine Mitteilung, die Apostolischen Visitatoren von Breslau, Ermland und Schneidemühl seien ab 31. Dezember 1998 nicht mehr Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz. Damit wäre eine besondere Regelung, die dem Vertreibungsschicksal von seiten der katholischen Kirchenorganisation Rechnung trug, getilgt. Im Klartext: Die Vertreter der Vertriebenen sind von der Bischofskonferenz verbannt.
Bitterkeit breitete sich aus unter den katholischen Vertriebenen. Kritiker verwiesen darauf, daß die UN-Menschenrechtskommission gerade erst am 17. April 1998 nicht nur im Hinblick auf den Jugoslawien-Konflikt festgestellt habe, daß das Recht auf die Heimat international gültig und verbindlich sei. Dies gelte, so die Weltorganisation, auch für Vertreibungen der Vergangenheit. Selbst internationale Verträge könnten, so die Uno ohne Umschweife, keinen rechtswidrigen Bevölkerungsaustausch legalisieren, auch nicht Jahrzehnte später. Daß ausgerechnet wenige Monate nach die-sem unmißverständlichen Beschluß nachgerade eine solche nachträgliche Legalisierung auf der Ebene der Katholischen Kirche versucht wurde, traf die Gläubigen schwer. Es verhärtete sich der fatale Eindruck, wie Rechtlose behandelt zu werden, für welche sogar die selbstverständlichsten Regeln nicht einklagbar sein sollen.
Wie der damaligen "Deutschen Tagespost" zu entnehmen war, traf die deutschen Bischöfe an jenem als frevelhaft empfundenen Verstoß der Visitatoren keine Schuld. Sie hätten die Weisung Roms bloß ausgeführt.
Dem widersprach jetzt der Erzbischof von Allenstein, Dr. Edmund Piszcz, ganz energisch. Auf die Mitteilung über den Ausschluß der Visitatoren habe er sofort Gespräche aufgenommen: mit zwei Kongregationen im Vatikan und sogar mit Papst Johannes Paul II. selbst. Beide hätten ihm unzweideutig erklärt: "Das hat die Deutsche Bischofskonferenz beschlossen!" Und nicht Rom.
Wer hat nun recht? Eine der beiden Seiten muß die Unwahrheit gesagt haben. Beinahe unbedeutend ist dabei wer: Indes, ob nun der Heilige Stuhl oder die deutschen Bischöfe ihre Gläubigen in die Irre geführt haben, der Vertrauensbruch wäre so oder so kaum wieder gutzumachen. Zur Zeit spricht jedenfalls alles dafür, daß die deutschen Bischöfe die Verantwortung tragen, zu der sie nicht stehen wollen: Das Dekret der päpstlichen "Congregatio pro Episcopis" (Prot. No. 1053/98) stellt in lateinischer Sprache die Verantwortung und die Initiative der Deutschen Bischofskonferenz fest. Das eigentümliche Verhalten der Bischofskonferenz untermauert den Verdacht. So wurden Anfragen mehrerer Geistlicher, wie es heißt, nicht beantwortet. Ist es das schlechte Gewissen, das zum Schweigen drängt?
Jetzt bleibt den Bischöfen nur noch die Flucht nach vorn: Sie müssen einwandfrei nachweisen, daß nicht sie, sondern der Vatikan jene schlimme Entscheidung herbeigeführt hat. Oder sollten sich die deutschen Bischöfe tatsächlich hinter Rom und dem polnischen Papst versteckt haben? Die Wahrheit bitte, und zwar schnell!
Mögen die Gläubigen entscheiden, ob ihnen dekorative Hinweise der Konferenz wie jener, daß die Arbeit der Kanonischen und Apostolischen Visitatoren keineswegs beendet sei, ausreichen. Oder daß die Vertriebenenseelsorge trotz allem fortgeführt werde.
Viele gläubige Katholiken Vertriebene und andere, die am Vertreibungsschicksal Anteil nehmen sind ebenso zutiefst verstört wie zahllose Geistliche. Die katholische Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren.
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