Wie im Rausch

Nicht einmal ein Dreivierteljahr nach der Aufnahme von insgesamt zehn neuen Mitgliedsstaaten ziehen erneut "Erweiterungswolken" über den EU-Himmel. Angetrieben von den US-Amerikanern und kräftig unterstützt vor allem von der rot-grünen Koalitionsregierung in Berlin, will die Gemeinschaft noch in diesem Jahr die Aufnahme offizieller Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

beschließen - ob der vor allem vom konservativen Lager betriebene Widerstand da noch etwas verhindern kann, erscheint zweifelhaft.

So ist zu erwarten, daß schon in der ersten Hälfte des Jahres 2005 die amtlichen Gespräche der Brüsseler Unterhändler mit Ankara aufgenommen werden. Und auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum hinziehen dürften - vieles deutet darauf hin, daß am Ende die Aufnahme dieses überwiegend nichteuropäischen Landes in die Europäische Union stehen wird.

Damit nicht genug: Kritische Beobachter sehen hier nur den ersten Schritt einer geradezu uferlosen Beitrittswelle. Aus Polen und Tschechien werden bereits Forderungen laut, die Ukraine zum offiziellen Beitrittskandidaten zu erklären. Selbst für Weißrußland wird ein solcher Status nicht mehr gänzlich ausgeschlossen. Zumindest sieht Italiens Regierungschef Berlusconi - was immer ihn dazu bewogen haben mag - das Land im Kreise der EU-Bewerberstaaten, falls es sich zu einer demokratischen Entwicklung bequeme. Vorerst droht hier freilich noch kein Beitritt - Weißrußland ist auch von den Demokratie-Kriterien des Europarates noch meilenweit entfernt.

Hingegen steht fest, daß Rumänien und Bulgarien 2007 die "Abteilung Armenhaus" verstärken werden. Dann aber wird man auch Länder wie Serbien oder Mazedonien kaum noch aus dem Anwärterkreis fernhalten können. EB