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Wortgewaltiger Diener Gottes

 
     
 
Es haben - auf Ehre - in Masuren viele Gottesmänner gewirkt, denen gegeben war die Gewalt des Wortes und die Kraft der Rede. Aber so mächtig sie auch von den Kanzeln herab den Andächtigen die christlichen Lehren verkündeten, so konnten sie doch alle dem einen nicht das Wasser reichen, dessen Ruf zu seiner Zeit und noch lange darüber hinaus ganz Ostdeutschland erfüllte. Gemeint ist natürlich Michael Pogorzelski, zuletzt Seelenhirte in Kallinowen im Landkreis Lyck, der auch genannt wurde "der Zauberer Gottes" oder der masurische "Abraham a Santa Clara".

Dieser Michael Pogorzelski wurde um 1737 als Sohn eines Freisassen geboren. Der war durchaus ein guter Christ, doch wenn Gefahr drohte, rief er noch die alten Pruzzengötter an. Sein Sohn wurde sozusagen von der Weide weggeholt, wo er die Kühe seines Vaters hütete. Und dann ist er schnurstracks auf die "hohe Schule" nach Lyck geschickt worden. Dem Herrn Pfarrer war nämlich die schöne Singstimme aufgefallen und ebenso der Lerneifer des Hirtenjungen.

Diesen Lerneifer bewies Michael Pogorzelski auch als Student der Theologie in Königsberg, wo er sich freilich mühsam durchhungern mußte. Dennoch schaffte er den Abschluß, und ein gestrenges Konsistorium stellte ihm nach scharfer Examinierung ein gutes Zeugnis aus. Wie damals üblich, begann er seine Laufbahn als Organist und Lehrer. Über eine Schulrektorenstelle kam Michael Pogorzelski endlich zum ersehnten Pfarramt in der masurischen Heimat.

Und von der Kanzel herab donnerte er in handfester Manier auf die Gemeinde ein, die ihn sofort verstand. Sein rauhes Christentum öffnete ihm den Zugang zu manchem verstockten Herzen. Und seine Gleichnisse, oft in etwas groteske Verse gesetzt, machten ihn nahezu unsterblich. Er predigte, wie seine Schäfchen redeten, in der damals geläufigen Volkssprache Masurisch. Dabei schaute er den Menschen "aufs Maul" und fand so den direkten Weg zu seiner Gemeinde. Als er mit 60 Jahren starb, trauerte nahezu ganz Masuren um Michael Pogorzelski.

Einer, der diesem Vorbild nacheiferte, war Martin Krafczyk, seines Zeichens Seelsorger im Kirchspiel von Malgaofen. Zu dieser Pfarrei gehörten noch drei weitere Dörfer, allesamt gelegen im masurischen Kreis Neidenburg. Auch Martin Krafczyk entstammte einem Bauerngeschlecht und war imstande, seine Herde mit Rat und Tat durch das ganze Kirchenjahr zu geleiten, sozusagen von der Aussaat bis zum Erntefest. Und er bediente sich dabei der Sprache des Volkes und gebrauchte zuweilen derbe Worte und drastische Gleichnisse.

So pflegte er seiner Gemeinde des öfteren auszumalen, was einen notorischen Sünder im Jenseits erwartete, sofern er sich nicht besserte und seine Missetaten bereute. Kurzum, Pfarrer Krafczyk scheute sich keineswegs, die im Höllenfeuer zu erduldenden Qualen sozusagen in glühenden Farben zu schildern. Denn er war fest davon überzeugt, damit eine abschreckende und hie und da sogar heilsame Wirkung zu erzielen.

Wieder einmal predigte der Seelenhirte von Malgaofen über dieses Thema. Und zur Verdeutlichung seiner Worte holte er plötzlich mit behandschuhter Faust ein Büschel hervor, welches aus grünen Stengeln bestand, an denen ungleichmäßig gezackte Blätter hafteten. Dieses Bündel schwenkte er gegen die Andächtigen und fragte sie mit dröhnender Stimme: "Was ist das?"

Auf den Kirchenbänken herrschte erst einmal Verblüffung und Ratlosigkeit
. Denn man war es nicht gewohnt, mit dem gestrengen Herrn Pastor eine Art Wechselrede zu führen. Nach einem Momentchen aber ermannte sich August Kalweit, und zwar gewissermaßen von Amts wegen. Denn er war der Dorfschulze von Malgaofen und hatte deshalb auch sonst immer das Wort zu führen. Also erwiderte er forsch: "Das, Herr Pfarrer, sind Brennesseln." Und die Gemeindemitglieder nick-ten allesamt Zustimmung.

Martin Krafczyk auf seiner Kanzel war mit dem Resultat zufrieden. Nochmals hob er das Grünzeug hoch empor und deutete damit auf seine sich erschreckt duckende Herde. "Jawohl", donnerte er, "jawohl, das sind Brennesseln. Und ihr wißt, was die anrichten können auf nack-ter Haut. Ich aber sage euch, daraus sind die Unterhosen gemacht, die manch einer von euch dermaleinst in der Hölle wird tragen müssen!"

Unter dem Kirchenvolk von Malgaofen befand sich auch der Dorfschuster Andreas Sawatzki. Der saß tagaus, tagein auf einem dreibeinigen Schemel in der Werkstatt und war dadurch zum Sinnierer geworden. Und er beschäftigte sich intensiv mit dem Wort Gottes, wie es geschrieben steht im Neuen Testament. Dabei war der Andreas ein Mensch voller Sanftmut, abhold jeglicher Gewalt und ebenso jedem lauten Wort. Er kam sonntags stets in die Kirche, hielt jedoch auch eigene Gebetsstunden ab.

Diesem Schuster Sawatzki nun mißfiel es, daß so manche Kanzelrede des Herrn Pfarrers zu einer deftigen Strafpredigt geriet und weniger die große Güte Gottes zum Inhalt hatte als das Böse wie das Übel, daß den armen Sündern in der Ewigkeit drohte. Und er ließ das seinen Seelenhirten auch wissen. "Möchtet Ihr nicht, Herr Pastor", so fragte er an einem Sonntagvormittag, "predigen demnächst über Lukas zehn?" Schuster Sawatzki klärte ihn bereitwillig auf: "Da, wo die Rede ist vom barmherzigen Samariter. Wär das möglich einmal?"

Der Seelsorger von Malgaofen strich sich den schwarzen Talar glatt und meinte, den Gefallen wolle er seinem getreuen Gemeindemitglied gerne tun. Und tatsächlich, am drauffolgenden Sonntag predigte er sehr schön über dieses Gleichnis, und zwar also: "Im Evangelium Lukas und dort im zehnten Kapitel vom dreißigsten Vers an steht geschrieben: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem herab gen Jericho und fiel unter die Mörder. Die zogen ihn aus, schlugen ihn und ließen ihn halbtot liegen."

Der Dorfschuster Sawatzki hörte aufmerksam und erwartungsvoll hin. Zufrieden blickte er zur Kanzel, denn nun würde - so dachte er - manch Wort der Sanftmut kommen, der Milde und Friedfertigkeit. Doch Pastor Krafczyk, um dessen Lippen ein listiges Lächeln spielte, legte den biblischen Text auf seine Weise aus. Statt über den barmherzigen und hilfsbereiten Samariter sprach er über die in dem Gleichnis erwähnten Peiniger des armen Opfers. Und zog daraus Schlußfolgerungen, die er auf einige Mitglieder seiner Gemeinde münzte. Also wetterte er über deren Unverträglichkeit, über ihre Streitsucht und allerlei sonstige Übel sowie über die dafür drohenden Strafen.

Und er kam dabei in eine solche Hitze, daß der alte Schmiß auf seiner Wange hochrot anlief und deutlich hervortrat. Den aber hatte sich der geistliche Herr geholt, als er während des Studiums an der Albertina zu Königsberg auf dem Paukboden der akademischen Freundeskreis Masovia den scharfen Schläger schwang und so manche Partie glänzend auszufechten verstand.

Der brave Schuster Sawatzki indes konnte nur betrübt den Kopf schütteln und bei sich denken: "Er ist mir doch über, unser Herr Pfarrer."

Aufgrund so kraftvoller Predigten erwarb sich Martin Krafczyk nicht nur die Achtung seiner Zuhörerschaft, nein, auch die Kirchenbehörde wurde auf ihn aufmerksam, und schickte ihm immer öfter einen Kandidaten der Theologie oder einen Vikar nach Malgaofen, um dort praktische Erfahrungen in der Seelsorge zu machen und sich auf den geistlichen Beruf vorzubereiten. Die Bewohner des Kirchspiels nannten das in edler Einfalt "anlernen" und bezeichneten die Probanden als "Lehrlingspastoren". Sie hatten auch bald heraus, wer sich dabei gut anstellte und wer nicht und fällten dementsprechende Urteile, natürlich nur, wenn sie unter sich waren.

Wieder einmal war ein solcher Student der Gottesgelehrtheit unter die pädagogische Fuchtel von Pfarrer Krafczyk gegeben worden. Er kam direkt von der Universität und war erfüllt von löblichem Eifer. Bereits am ersten Tag erzählte er, wie er sich seine Tätigkeit auf der Kanzel vorstellte. "Ich werde", so sagte er salbungsvoll, "die Gemeinde erbauen mit Predigten über die Tugenden eines wahren Christenmenschen. Also etwa über die Barmherzigkeit, über die Friedfertigkeit, über Nüchternheit und Enthaltsamkeit und was es sonst noch gibt auf diesem Gebiet."

Martin Krafczyk, der Pastor, nick-te anerkennend, Und so geschah es denn auch. Der Herr Kandidat redete in gewählten Wendungen über die Sanftmut, die man zu beweisen habe wie über die Achtung und Ehrerbietung, welche die Kinderchen ihren Eltern schuldeten. Die Gemeinde lauschte andächtig, und insbesondere der Dorfschuster Andreas Sawatzki war des Lobes voll über solche Art des Predigens. Ihm war sozusagen ein jedes Wort aus dem Herzen gesprochen.

Wieder einmal stand eine solche Sonntagspredigt an. Und der Pfarrherr von Malgaofen traf seinen Schutzbefohlenen an, wie er gerade am Schreibtisch seinen Text zu Papier brachte. "Nun", fragte er freundlich, "zu welchem Thema soll es denn gehen diesmal?" Der Herr Student gab bereitwillig Auskunft: "Ich werde predigen am Sonntag über die Tugend der Sparsamkeit."

Der Pastor von Malgaofen schnitt sich das Ende einer Zigarre zurecht, zündete sie an und sog genüßlich die erste Rauchwolke ein. Dann meinte er: "Sehr schön, lieber Amtsbruder, wirklich sehr schön und gewiß auch lehrreich." Er machte eine kurze Pause und betrachtete nachdenklich den Aschenkegel an der Spitze seines Glimmstengels. Dann sagte er: "Nur möcht ich in diesem Fall anregen, daß unser guter Kirchendiener Niklas die Kollekte mit dem Klingelbeutel einsammelt schon vor der Predigt." Und er konnte sich bei diesen Worten ein kleines Lächeln nicht verkneifen.

Martin Krafczyk wurde allgemein auch ein Wortspiel zugeschrieben, von dem keineswegs sicher ist, daß er es geprägt oder auch nur als erster gebraucht hat. Aber selbst, wenn er gewissermaßen das Urheberrecht daran nicht beanspruchen konnte, er hat es für einen guten Zweck gebraucht und damit den gewünschten Erfolg gehabt. Dabei ging es schlicht und einfach um die in seinen Augen notwendige Vergrößerung des Gotteshauses in Malgaofen, die - natürlicherweise - einiges Geld verschlingen würde.

Und selbstverständlich zeigte sich die Kirchenbehörde, in diesem Fall das zuständige Konsistorium zu Allenstein, in finanzieller Hinsicht äußerst hartleibig. Der gute Pastor Krafczyk jedoch bohrte und bohrte und endlich wurde eine Kommission entsandt, die nachprüfen sollte, ob denn wirklich einige Talerchen locker gemacht werden mußten. Deren Vorsitzender, ein gewisser Superintendent Naujoks, stellte etwas süffisant die entscheidende Frage: "Sagen Sie mal, verehrter Herr Amtsbruder, ist Ihre Kirche denn tatsächlich zu klein? Gibt es zu wenig Platz für die Gemeindemitglieder oder gehen nicht doch alle hinein?"

Als Antwort darauf gebrauchte Martin Krafczyk das Wortspiel, von dem bereits die Rede war. Er sah seinem Vorgesetzten treuherzig in die Augen und sagte in aller Seelenruhe: "Wenn nicht alle hineingehen, gehen alle hinein. Wenn aber alle hineingehen, dann gehen nicht alle hinein!" Um es kurz zu machen: Die Kommission bewilligte daraufhin ein ansehnliches Sümmchen zum Umbau und zur Vergrößerung des Gotteshauses von Malgaofen. Und als dies vollbracht war, da gingen wirklich alle hinein in die Kirche, auch wenn alle hineingingen!

Ein jeder Mensch hat seine Zeit auf Erden, so auch Pfarrer Martin Krafczyk. Als seine Lebensuhr abgelaufen war, wurde er vom ganzen Kirchspiel aufrichtig betrauert. Und auch für ihn galt, was sein Vorbild Michael Pogorzelski einst geschrieben hatte in jenen Versen, mit denen er Abschied nahm von einem Amtsbruder aus der Stadt Ortelsburg. Da heißt es unter anderem: "Geschlossen ist das Auge, tott! Maul zu, was hat gered t von Gott!" Konnte es einen würdigeren Nachruf geben als diesen - auch für Martin Krafczyk, den Seelenhirten von Malgaofen.

Schönes Ostdeutschland: Kirche, Pfarrhaus und Schule in Malga, Kreis Neidenburg
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Geborgen
Von Ernst-August Marburg

Am Morgen die Sonne,

sie weckt uns schon früh

und ruft uns zum Tagwerk

mit Arbeit und Müh.

Zur Nacht dann Signale:

"Soldaten zur Ruh!"

das gilt der Kaserne,

befolg es auch du.

Am Sonntag die Glocken

mit lockendem Klang

und dann nach der Predigt

der Lobgesang.

Zum Abschluß der Segen,

die Kirche ist aus.

Herz, alles in allem:

du hast ein Zuhaus!
 
     
     
 
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