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Wenn in Berlin Vokabeln wie "mehr Steuergerechtigkeit", "Subventionsabbau" oder schlicht "Gerechtigkeitslücke" die Runde machen, gehen die Deutschen vorsorglich in Deckung. Denn was herauskommen wird bei jeder neuen, "längst überfälligen Debatte", scheint von vornherein klar: Die Politik sattelt die Mulis für den nächsten Beutezug durch die Geldbeutel von Volk und Wirtschaft.
Dabei gehen die Verantwortlichen zuweilen vor wie gerissene Fallensteller. Beispiel "Ich AG". Nachdem ein überzogener Kündigungsschutz , astronomische Lohnnebenkosten, Steuern und eine weltweit kaum zu überbietende Regulierungswut den herkömmlichen Arbeitsmarkt niedergewalzt haben, sollten sich Millionen Deutsche nun selbst aufmachen und mit einer klugen Geschäftsidee ihren eigenen Kleinstbetrieb eröffnen. Tausende haben sich hinreißen lassen und oftmals beachtliche Kreativität gezeigt.
Ein Signal, das Hoffnung machte. Lange Zeit sank die Zahl derer, die eine selbständige Tätigkeit dem Angestelltendasein vorzogen. Zu viele Hürden, zuviel Risiko im Vergleich zu den erheblichen Belastungen. Jetzt also beginnt die Bundesregierung, von "Flexibilität" nicht nur zu reden, sondern ihr eine Schneise durchs Vorschriften-Dickicht zu schlagen.
Schön - wär s gewesen. Denn kaum hat die "Ich AG" ein wenig Fahrt aufgenommen, überfallen uns Politiker mit einem Vorhaben, das den Weg in die Selbständigkeit demnächst als unattraktiver denn je erscheinen läßt. Künftig, so der Plan, sollen auch Freiberufler die Gewerbesteuer entrichten. Und: Selbst für die bislang schon gewerbebesteuerten Betriebe kommt es noch dicker als ohnehin schon. Bald nämlich sollen neben den Gewinnen auch Kreditzinsen und Leasingraten besteuert werden. Der Städtetag und die SPD-Finanzpolitiker behaupten, damit müsse eine "Gerechtigkeitslücke" geschlossen werden. "Gerechtigkeitslücke" - aha! Die Deutschen ahnen, wohin die Reise geht, und werden prompt bestätigt: Firmen, die ihre Investitionen selbst bezahlen, dürften gegen solche, die etwa Maschinen leasen oder auf Kredit kaufen, nicht benachteiligt werden, argumentieren die Experten der Politik - und unterschlagen, daß Zinsen und Leasinggebühren längst beim Empfänger der Raten versteuert werden. Was man jetzt vorhat, ist also Doppelbesteuerung - mit anderen Worten: Abzocke.
Dies ist der Humus, auf dem Mißtrauen und Verunsicherung statt Aufschwung wachsen. Sichtbar auf die Spitze getrieben wurde die Abkassierer-Mentalität bei der Tabaksteuer. Zunächst ließ Bundesfinanzminister Eichel verlauten, "der Gesundheit wegen" die Tabaksteuer um einen satten Euro pro Zigarettenschachtel ab 1. Januar 2004 anheben zu wollen. Dann kamen Wirtschaftsminister Clement Bedenken. Zu viele Raucher könnten ihrem Laster bei derart explodierenden Preisen entsagen, was die Mehreinnahmen schmälern würde. Also empfahl Wolfgang Clement, die Erhöhung in mehreren Stufen vorzunehmen. Plastischer, frecher und zynischer zugleich trat die reine Schröpferei kaum je zutage: Weiterrauchen für die Gesundheit.
Besonders abstoßend gerät die Szene, wenn dieselben Politiker an anderer Stelle über die sinkende Steuer-"Moral" des Volkes lamentieren. Die Abteilung Tricks und Täuschung klagt auf Moral - so muß es beim Bürger ankommen. Das hinterläßt nicht bloß Spuren im Geldbeutel. Wo "Moral" als billige Floskel, als durchschaubarer Vorwand für unlauteres Vorgehen mißbraucht wird, da hat sie bald gar keine Chance mehr - selbst wenn man es plötzlich wieder ernst mit ihr meint. |
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