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rkampf mit dem Rotstift

 
     
 
Wer der Bibliothek des Deutschlandhauses in Berlin seine entliehenen Bücher zurückgeben wollte, der mußte sich beeilen, denn sie hatte am vergangenen Samstag bereits ihren letzten Öffnungstag. Rund zwei Millionen Mark kostet die Unterhaltung des Deutschlandhauses jährlich; zwei Millionen, die nun nicht mehr vom Bund getragen werden. Zum Jahresende läuft die Finanzierung aus, dann muß das Haus am Anhalter Bahnhof seine Pforten schließen.

Geschäftsführer Dr. Wolfgang Schulz, ein gebürtiger Ostpreuße, fühlt sich als Opfer der Kulturpolitik von Staatsminister Michael Naumann. Bislang hat der mit Vorschußlorbeern gestartete Kulturbeauftragte der rotgrünen Bundesregierung noch nicht einmal den Fuß in sein Haus gesetzt. Mit der Schließung der umfangreichen, 23 000 Bände umfassenden Bibliothek ist seit dieser Woche die Abwicklung des Deutschlandhauses eingeleitet worden. Die 13 Mitarbeiter haben bereits im Juni ihre Kündigungen erhalten, einen neuen Arbeitsplatz hat bislang noch keiner von ihnen gefunden. Die Büros sind schon jetzt leer, die Bilder abgehängt, auf den Schreibtisch
en stapeln sich die Umzugkartons – die staatlich geförderte Vertriebenenarbeit in der deutschen Hauptstadt liegt in den letzten Zügen.

Die 1952 gegründete Stiftung Deutschlandhaus war die einzige Institution ihrer Art östlich der Elbe. Gerade in Berlin machten viele Heimatvertriebene zunächst Zwischenstation. Im Jahr des Mauerbaus 1961 erhielt das Deutschlandhaus dann seinen jetzigen Sitz. Auf insgesamt 4000 Quadratmetern konnten eine Bibliothek, ein Foto- und Pressearchiv sowie verschiedene kunst- und kulturgeschichtliche Sammlungen angelegt werden. Etwa 70 000 Besucher hatte das Haus jährlich, 3500 Leser waren in der Bibliothek registriert.

Das Stiftungskuratorium hat sich entschlossen, den Gesamtbestand des Hauses in Berlin zu behalten, wo es in ferner Zukunft einmal den Grundstock für das geplante Zentrum gegen Vertreibung bilden soll. Kunstsammlungen und Bibliothek gehen bis dahin in den Besitz des Deutschen Historischen Museums Unter den Linden über und werden dort zwischengelagert. Damit jedoch werden die zum Teil einzigartigen Bestände auf Dauer dem Zugriff von Forschern und privat Interessierten entzogen.

Noch vor dem Regierungswechsel hatte sich Mitte 1998 ein schleichender Tod auf Raten angekündigt, wurde über das Aus des Deutschlandhauses bereits spekuliert, da die zentrale Förderung auf eine projektbezogene Finanzierung umgestellt wurde. Doch erst die rotgrüne Kulturpolitik versetzte der Stiftung den finalen Schlag.

Bekanntlich ist der Stand, den die Vertriebenenarbeit strukturell in der Bundesrepublik hat, mit dem Amtsantritt Naumanns noch viel schwerer geworden. Der Kulturstaatsminister verfügt auf diesem Gebiet über keine Kompetenz und macht sich offensichtlich auch nicht die Mühe, sie zu erwerben. Die Schließung des Deutschlandhauses ist nur der Anfang seiner umgreifenden Kulturpolitik, die einst die erwarteten Glanzlichter setzen sollte und die eher als Kulturkampf erscheint. Auch die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und der Ostdeutsche Kulturrat stehen längst auf seiner Streichliste.

 
     
     
 
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