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Geheimnisvolles Leuchten

 
     
 
Chemnitz ist noch bis zum 12. März der Ort, an dem Freunde Alter Meister auf ihre Kosten kommen. Dort, wo sonst meist Kunst des 20. Jahrhunderts ausgestellt wird, sind jetzt Werke von Vater und Sohn Cranach zu bewundern. Mit 77 Gemälden ist die Ausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz eine der umfangreichsten Präsentationen von Werken der Cranachs, die es je gab. Allein aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden kommen 63 Bilder, die dort aus Platzgründen nur zu einem kleinen Teil gezeigt werden können. Dabei handelt es sich um die weltweit größte Sammlung von Cranach-Werken. "Eine repräsentative Ausstellung der Gemälde von Vater und Sohn Cranach ist ohne die Dresdner Leihgaben nicht denkbar", so die Veranstalt
er. "Noch nie haben die Gemäldegalerie Alte Meister und die Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden so viele Werke verliehen." Ergänzt werden die Dresdner Leihgaben durch zusätzliche kostbare Gemälde von zwölf weiteren Leihgebern aus nah und fern.

Die Kunstsammlungen Chemnitz befinden sich in dem von Richard Möbius entworfenen, 1909 eröffneten König-Albert-Museum am Theaterplatz und beherbergen über 60000 Exponate. Das seit 1993 sanierte Museumsgebäude wird bautechnisch und ästhetisch heutigen Höchstforderungen zeitgemäßer Kunstpräsentation gerecht.

Kennern ist das Museum als Heimstätte der zweitgrößten Sammlung von Werken Schmidt-Rottluffs bekannt, die aber nur zeitweilig und nicht vollständig gezeigt wird. Im Chemnitzer Vorort Rottluff wurde der Mitbegründer der expressionistischen Künstlervereinigung "Brücke" 1884 geboren, der heute international zu den bedeutendsten Vertretern dieser Epoche zählt. Weitere Schwerpunkte der Gemäldesammlung sind die Maler der Dresdner Romantik (Friedrich, Clausen-Dahl, Carus, Kersting, Richter) und des deutschen Impressionismus (Liebermann, Corinth, Slevogt, Kuehl, Sterl). Zeitgenössische Kunst aus Sachsen (Ebersbach, Göschel, Morgner, Nicolai) und westdeutsche Kunst nach 1945 aus der Sammlung Lühl (Baumeister, Girke, Götz, Knöbel, Nay, Pfahler, Schumacher, Thieler) runden die Sammlung der fast 1500 Gemälde ab. Die Sammlung der mehr als 200 Plastiken umfaßt Werke französischer Bildhauer (Rodin, Maillol, Degas), Arbeiten von Künstlern aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Barlach, Blumenthal, de Fiori, Kolbe, Lehmbruck, Marcks, Minne, Scheibe, von Stuck) genauso wie zeitgenössische Skulpturen und Objekte (Claus, Glöckner, Mack, Uecker).

Besonderes Augenmerk aber werfen Kunstfreunde jetzt auf die prachtvolle Cranach-Ausstellung, die ihresgleichen suchen muß. Wer die Chance verpaßt hat, die Cranach-Werke in der Ausstellung eingehend zu studieren, dem sei der aufwendig gestaltete Katalog ans Herz gelegt, der gleichzeitig auch einen Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden um-faßt.

Viel erfährt man über die Bilder-Werkstatt der Cranachs, die in fachkundigen Beiträgen vorgestellt wird. Die Bilder leuchten selbst in der Druckversion noch wie von einer geheimnisvollen Lichtquelle erhellt, wenn auch die unmittelbare Begegnung mit den Meisterwerken nicht zu übertreffen ist.

Mit der Berufung Lucas Cranach d. Ä. als Hofmaler begann in Wittenberg 1505 eine beispiellose Erfolgsgeschichte höfisch-sächsischer Malerei, die im gesamten 16. Jahrhundert und darüber hinaus die Kunstentwicklung Mitteldeutschlands prägte und dominierte. Genau 500 Jahre später ermöglichen die Kunstsammlungen Chemnitz nun mit der Ausstellung der prachtvollen Gemälde eine einzigartige Begegnung mit dem Schaffen der Cranachs. Darüber hinaus macht die Chemnitzer Ausstellung darauf aufmerksam, daß die berühmteste deutsche Malerfamilie auch in diesem Raum tätig war.

Eine wichtige Gruppe unter den zahlreichen Werken, die im Auftrag der Albertiner entstanden, stellen die Porträts dar. Sie sind Ausdruck des höfischen Repräsentationsbedürfnisses. Von herausragender Bedeutung sind hier die lebensgroßen Porträts Herzog Heinrichs des Frommen und seiner Frau Katharina von Mecklenburg aus dem Jahre 1514, die zu den ersten weltlichen Ganzfigurenporträts in der europäischen Malerei zählen.

Hervorzuheben sind auch die von Lucas Cranach d. J. 1551 ausgeführten, ungewöhnlich großformatigen Herkulesbilder. Neben Gemälden, die offensichtlich dynastisch-repräsentative Funktionen zu erfüllen hatten, wie die Porträts und die Herkulesfolge, bilden Darstellungen von Heiligen und des Themenkreises der "Weibermacht" eigenständige Werkgruppen. Von besonderem Interesse sind auch die Gemälde, welche reformatorischen Einfluß erkennen lassen, am deutlichsten in den Bildnissen Martin Luthers und der Darstellung der Kindersegnung.

Der Einfluß der Gemälde von Vater und Sohn Cranach auf nachfolgende Künstlergenerationen ist groß. Selbst Pablo Picasso, den der Laie gern nur als den abstrakten Künstler sieht, war von den Werken seiner "Kollegen" beeindruckt. Wie kein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts setzte er sich mit dem Werk der Cranachs auseinander. So sagte Picasso in einem Interview, daß er Cranach d. Ä. für den größten deutschen Künstler halte. Fast 20 Jahre lang (zwischen 1942 und 1958) beschäftigte er sich mit Cranach-Motiven. Mit der ihm eigenen künstlerischen Virtuosität und technischen Vielfalt schuf er zahlreiche Paraphrasen zu Werken des bewunderten Künstlers in Form von Gemälden, Tuschezeichnungen, Aquatinten, Linolschnitten, Lithographien und Gouachen.

Die Chemnitzer Ausstellung zeigt zusätzlich zu den 77 Cranach-Gemälden auch 17 Arbeiten auf Papier von Picasso nach Cranach. Davon konnten 14 Lithographien aus dem Nachlaß Mourlot von den Kunstsammlungen Chemnitz erworben werden. ksc/os

Die Ausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz ist dienstags bis freitags von 11 bis 19 Uhr, am Wochenende und feiertags 10 bis 19 Uhr, Eintritt: 8 / 5 Euro. Der umfangreiche Katalog kostet im Museum 30 Euro. Bis 12. März.

Erste weltliche Ganzfigurenporträts in Europa

Lucas Cranach d. Ä.: Herzog Heinrich der Fromme (Öl auf Holz, 1514; im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister)

Lucas Cranach d. J.: Herzogin Elisabeth von Sachsen als Kind (Öl auf Lindenholz, 1564; im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer)    Fotos (2): Staatliche Kunstsammlungen Dresden
 
     
     
 
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