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Lucy Redler sitzt erschöpft auf der Bühne. Gerade eben hat sie ihre Anhänger auf ihre politische Linie eingeschworen und trinkt nun - nicht gerade damenhaft - aus einer Flasche.
Neben ihr sitzt eine Parteigenossin und schreibt "Zehn Minuten" auf einen Zettel. Diesen Zettel muß sie den Rednern zeigen, die sich ans Mikro drängen, um der Vorrednerin beizupflichten. Lucy, du hast ja so Recht.
Lucy Redler ist das neue Gesicht der extremen Linken in Berlin. Sie ist ein Popstar auf der politischen Bühne. Vor einem Jahr war die selbsternannte Trotzkistin noch ein weitgehend "unbeschriebenes Blatt", eine Sektiererin unter vielen in der linken Szene Berlins. Dann kam der Wiederaufstieg der PDS als Linkspartei - und mit ihr Lucy Redler.
Inzwischen ist die 26jährige in jeder Zeitung zu sehen. Sie hat einen eigenen Eintrag im Interne tlexikon Wikipedia, und ihr Name spuckt bei einer Recherche in der Suchmaschine Google rund 10000 Treffer aus.
Redler gehört dem Vorstand der WASG in Berlin an. Sie ist die Rädelsführerin einer trotzkistischen Splittergruppe namens "Sozialistische Alternative" (SAV), die die Führung der WASG, jener Partei von überwiegend enttäuschten Gewerkschaftern und Sozialdemokraten aus dem Westen, an sich reißen konnte. Das macht "den Schrecken der WASG" ("taz") so interessant für die Zeitgeistpresse.
"Lucy und ihre Truppe" (Die Welt) haben beschlossen, mit einer eigenen Liste gegen die PDS bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September anzutreten. Warum, das hat sie gerade auf der SAV-Tagung mit dem Titel "Sozialismustage" ausgeführt: "In Berlin gibt es 34000 Ein-Euro-Jobs, Kürzungen bei Projekten für Bildung und Frauen. Das Land ist aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. Fast immer steht die PDS auf der falschen Seite."
In Lucy Redlers Welt gibt es keine Haushaltslöcher und keine Sachzwänge. Es gibt nur "neoliberale Politiker" - und zwar in allen Parteien einschließlich der früheren SED - und einen ausufernden Kapitalismus, den zu besiegen sie angetreten ist.
"Die PDS macht keine sozialistische Politik, nicht mal linke Politik", klagt sie. In einer PDS-Broschüre werbe die Ex-SED unter der Überschrift "" für eine Fortsetzung der Koalition mit den Genossen von der SPD. In der Broschüre heißt es, Rot/Rot sei kein Ausrutscher der Geschichte. "Das haben wir auch gemerkt", kommentiert die studierte "Sozialökonomin". Im Saal wird schallend gelacht.
Gysi, Bisky, Ramelow wollen nur die Regierungsbeteiligung 2009 (im Bund) um jeden Preis, wirft sie den PDS-Bossen vor. Dann zeigt sie ein Plakat der PDS aus dem Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt, auf dem steht: "Wirtschaft braucht Standort, Menschen brauchen Heimat."
Heimat, Standort? Keine Begriffe, die zum Wortschatz einer K-Gruppen-Aktivistin gehören. "Niemals", ruft Lucy Redler ihren begeisterten Anhängern - 200 Personen im Jugendkulturzentrum Pumpe in Tiergarten - zu.
"Es geht darum, den Rechten nicht die Stadt zu überlassen", sagt Redler, und dazu gehören für sie wahrscheinlich auch SPD und Grüne. Mit ihren Brandreden hat Redler schon großbürgerliche Typen wie Gysi und Lafontaine an die Wand gequatscht. Die Basis ist Redler und ihren SAV-Aktivisten bislang gefolgt.
Am kommenden Sonnabend ist wieder ein WASG-Landesparteitag. Dann heißt es für Redler "". Es sieht nicht so aus, als würde die WASG-Führung einknicken und doch noch auf eine Wahlteilnahme zugunsten der PDS verzichten.
Nach ihr spricht Thiess Gleiss, ein Mitglied aus dem Bundesvorstand der WASG, der wiederum selbst heillos über das Verhalten des Berliner Landesverbandes zerstritten ist. "Ich könnte euch sagen, wie verkommen diese Partei ist", poltert er los. Er spricht nicht von der CDU oder der SPD oder gar von den Neoliberalen allgemein. Thiess geißelt die PDS, mit der seine Partei immerhin eine Fusion anstrebt. Die PDS sei eine ostdeutsche Klientelpartei rügt er die Provinzialität der Genossen Ost.
"Aber leider brauchen wir uns gegenseitig: die PDS und die vielen kleinen sozialistischen Gruppen, die jahrelang unsere Idee am Leben gehalten haben", räumt er dann aber ein. Aber auch für Theiss steht fest: "Es ist unsere Pflicht, die Regierungsbeteiligung in Berlin zu beenden."
Dann kommt Uwe Hiksch. Der 42jährige ist auch so eine Art Symbolfigur für die extreme Linke. Nach 17 Jahren in der SPD kehrte er seiner Partei 1999 den Rücken zu, obwohl er im Vorjahr in den Bundestag wiedergewählt worden war (Coburg).
Dann schloß er sich der PDS an. Jetzt gehört er zu den West-Linken in der Partei und packt aus: "Lucy hat Recht. Die PDS macht keine sozialistische Politik." Er weiß aber auch, warum, und räumt daher ein: "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß das von der Bevölkerung nicht gewünscht wird." |
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