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So n Täßchen Kaffee schmeckt doch gar zu scheene, ach, Frau Gevattern, trinken Se noch eene!" sangen die Geburtstagsgäste - sämtlich weiblichen Geschlechts - wenn sie sich zum Geburtstagskaffee in der kleinen Wohnung eingefunden hatten. Die lag in einem der engbrüstigen Häuser der Sackheimer Hinterstraße im alten Königsberg. Dort wohnte die Guttzeiten, unsere treue Haushaltshilfe, und Muttchen ließ es sich nie nehmen, zum Gratulieren zu erscheinen. Sie bekam dann auch das besungene Täßchen Kaffee, das aber ein handfester Kaffeepott war, jedoch mit Unterteller. Der war nötig, denn wenn jemand trotz eindringlichen Nötigens keinen Kaffee mehr wollte, wurde die leere Obertasse einfach umgestülpt. Das hieß dann soviel wie "Nein, danke!"
Das war für mich kleine Marjell sehr beeindruckend und blieb bis heute unvergessen. Und stieg wieder aus der Erinnerung hervor, als ich jetzt das Treppenhaus eines Hamburger Werkgebäudes betrat und mir ein geradezu betörender Kaffeeduft entgegenkam. So hatte es damals gerochen, wenn wir die ausgetretenen Stiegen hinaufgingen. Denn die Guttzeiten hatte weder Mühe noch Kosten gescheut, um ihre Gäste mit extra gutem Kaffee zu bewirten. Sie hatte die besten Bohnen gekauft und diese selber geröstet. Dieser Duft, den ich so intensiv lange nicht gespürt hatte, kam aus der geöffneten Tür einer alten Rösterei, die zugleich das jüngste Museum der Hansestadt Hamburg ist. Und wenn schon der Geruch mich in meine Kinderzeit versetzte, dann verdichtete sich die Erinnerung beim Anblick der vielen Exponate, mit denen die Räume bis zum Bersten gefüllt sind, erst recht. Über 2.800 Stück sind es, die hier der Hamburger Jens Burg sein Leben lang zusammengetragen hat und sich damit mit einem eigenen Kapitel in die lange Geschichte der "Kaffeestadt Hamburg" einschrieb. Denn an der Elbe stand das erste Caféhaus Europas, 1677 im Hafen eröffnet, hier wurde die erste deutsche Kaffeebörse gegründet und Hamburg entwickelte sich zu einem bedeutenden Importplatz für Rohkaffee - auch heute nimmt die Hafenstadt mit 1,12 Millionen Tonnen Kaffee jährlich einen Spitzenplatz ein. Demgemäß gab es in Hamburg auch viele Röstereien und Veredelungsbetriebe, deren Zahl aber in den letzten Jahrzehnten dramatisch gesunken ist. Der Hamburger Jens Burg ist einer der Letzten von ihnen. Jedoch einer, der durch seine Eigenwilligkeit und Ideenvielfalt, vor allem durch sein fachliches Können und die Liebe zu dem vom Vater übernommenen Metier zum "Kaffeekönig von Eppendorf" wurde. In diesem Hamburger Stadtteil wuchs der heute 61jährige als Sohn eines Kaffeerösters auf, lernte alles rund um den Kaffee. Später entdeck-te er auch seine Liebe zum Tee, entwickelte den aromatisierten Tee und analog den Aromakaffee. Heute kann Jens Burg in seinem Fachgeschäft, das auf einer 80jährigen Tradi-tion basiert, auch die ausgefallensten Wünsche passionierter Kaffee- und Teegenießer erfüllen: Die oft von weither kommenden Kunden können zwischen 24 reinen Kaffeesorten, 45 Aromakaffees und 140 verschiedenen Tees wählen. Sogar Boris Becker kauft dort seinen Lieblingskaffee, den Jamaica Blue Montain, der als "Champagner" unter den Kaffeesorten gilt. Dafür blättert er schon gerne 50 Euro für ein Pfündchen hin.
Mit kleinen Geschichten würzt der "Kaffeekönig" seine Ausführungen bei einem Rundgang durch das Kaffee-Museum, das er in der Rösterei an der Münsterstraße im Frühjahr eröffnete. Denn Jens Burg sammelt seit 40 Jahren alles, was irgendwie mit der braunen Bohne zu tun hat. Zuerst aus jugendlichem Sammeleifer, dann aus bewußter Tradition und schließlich aus Leidenschaft. Schloß eine Rösterei, eine Importfirma, ein Spezialgeschäft die Pforten, sicherte er sich das, was für ihn wertvoll war: Säcke, Trommelröster, Automaten, Pfannen, Blechdosen, Reklameschilder. Von Flohmärkten holte er sich Kannen und Kessel, Tassen und Töpfe und vor allem Kaffeemühlen - 900 sind es inzwischen geworden, und keine gleicht der andern.
Vollgestopft bis zur Decke erwarten einen die Zeugnisse jahrhundertealter Kaffeekultur - die ältesten Stücke stammen aus dem 18. Jahrhundert! - in den Museumsräumen, die immer von Kaffeeduft erfüllt sind. Denn Jens Burg röstet hier nicht nur - übrigens noch immer seine Lieblingsbeschäftigung - sondern bietet auch den Besuchern Kaffee von frisch gebrannten Bohnen an. Daher der Duft, der einen schon im Hausflur begrüßt.
Ältere Besucher zeigen sich begeistert von den Relikten aus vergangenen Tagen. Lösen schon allein die bunten Reklameschilder Erinnerungen an die gemütlichen "Tante-Emma-Läden" von einst aus, so ist man erst recht von deren Miniausgaben, den Puppenlädchen entzückt, in denen winzige Kaffeebohnen in winzigen Tüten auf winzigen Waagen liegen. Man entdeckt auch Omas buntgehäkelte Kaffeemütze und Opas Barttasse mit dem Kaiser-Wilhelm-Bild. Damit Großvaters "Es-ist-erreicht"-Bart getreu seinem Vorbild beim Trinken nicht in den Kaffee tauchte, gab es einen Barthalter am Tassenrand.
Jens Burg bietet Führungen an, auf denen die Teilnehmer alles über Kaffeegeschichte und Kaffeekultur erfahren können, einschließlich Videovortrag und Proben edelster Kaffeesorten. Das hat sich herumgesprochen, denn es melden sich immer mehr Interessenten an, auch in Gruppen. Für viele Damen ist es ein "Kaffeekränzchen" besonderer Art, aber auch männliche Interessenten wollen mehr über die Zubereitung des Göttertrankes erfahren. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Stefan Graack hat Jens Burg ein Schulungsprogramm entwickelt, das Seminare für den Espresso-Fan wie für den Baristo-Profi beinhaltet, die sehr gut angenommen werden. So n Täßchen Kaffee schmeckt auch heute gar zu scheene ...
Informationen: Kaffeemuseum Burg, Münsterstraße 23-25, 22529 Hamburg, Telefon (040) 55 20 42 58, Fax (040) 55 20 42 61.
Der Kaffeekönig von Eppendorf: Jens Burg in seinem Element. Sein originelles Kaffeemuseum zeigt alles rund um den braunen Göttertrank.
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